Jones, Diana Wynne
blickte hinüber und winkte mit einer ruhigen, behandschuhten Hand. Eine der Wassersturzer Gefolgsfrauen führte Mitt augenblicklich Graf Luthans Ersatzpferd heran. Niemand schien Einwände erheben zu wollen, dass Mitt nun auf einer Stute ritt, die fast so gut war wie Navis’ Ross. Als Maewen Gräfin das nächste Mal sah, ging er ganz am Schluss und schleppte Gepäck. Erneut war sie zutiefst beeindruckt. Ganz gewiss waren es kluge Entscheidungen wie diese, durch die Navis im Laufe des kommenden Jahres Herzog von Karnsburg werden würde.
Davon abgesehen genoss sie den Ritt nicht sonderlich. Wenigstens war das Reiten an sich ein Vergnügen. Es tat gut, einmal nicht das Tempo Wends oder des Wagens einhalten zu müssen. Luthans Gegenwart machte ihr zu schaffen. Er ritt allzu oft neben ihr und erinnerte sie mit bedeutsamem Lächeln unablässig an Dinge, die er und Noreth zusammen unternommen hätten. »Weißt du noch, der Herbst, als wir mit den Pflaumen warfen?«, fragte er, und Maewen gab vor, sich daran zu erinnern. Oder: »Weißt du noch, mit den Gesetzesbüchern? Harn von Markind ist noch immer nicht darüber hinweg.« Das war schon schlimm genug. Gleichzeitig wurde Luthans Lächeln jedoch immer schmelzender. Schließlich seufzte er und sagte: »Noreth, es kam mir wie eine Ewigkeit vor, eine nicht enden wollende Ewigkeit, als du fort warst. Wassersturz war leer. Leer und trostlos.«
Das ist ja entsetzlich!, dachte Maewen. Moril, der auf der anderen Seite neben ihr hertrottete, dachte offenbar das Gleiche. »Aber«, sagte er, »Wassersturz ist doch gar nicht leer, sondern voller Menschen und Pflaumenbäume.«
Luthan war es nicht im Mindesten peinlich. Er lächelte wieder schmachtend. »Du weißt schon, was ich meine. Unter Verliebten darf man so etwas sagen.«
Maewen gab es auf, Luthans Gefühle zu schonen. Sie verlor die Beherrschung. »Hör auf, dich so albern zu benehmen. Ich bin nicht in dich verliebt!« Dann biss sie sich auf die Zunge. Nach allem, was sie wusste, mochte Noreth Luthan sehr gern – aber wenn das stimmte, so fragte sich Maewen allmählich nach dem Grund.
Luthan seufzte und lachte leise. »Ach, Liebste. Bin ich dir wieder zu nahe getreten? Ich weiß einfach nicht, wie ich mich in deiner Nähe benehmen soll, Noreth. Da glaube ich schon, ich hätte dein Herz errungen, und dann reißt du mir doch den Kopf ab.«
Also hatte sie genau richtig reagiert, und trotzdem ließ Luthan nicht locker. Nachdem Mitt von Gräfin befreit worden war, lenkte er forsch Luthans Ersatzpferd zwischen Maewen und den Grafen. Wann immer Luthan etwas seufzend oder schmachtend sagte, grinste Mitt wie ein Totenkopf. Bald hatte Luthan genug davon. Er gab auf und ritt voraus. Aber kaum war er fort, wurde es noch schlimmer, zumindest, soweit es Maewen betraf: Mitt und Moril schienen gar nicht mehr aufhören zu wollen, sie mit Luthan aufzuziehen.
»Dein hübscher adliger Verehrer hat es aber ganz schön auf dich abgesehen!«, sagte Mitt.
»Ein Graf in roter Seide!«, seufzte Moril. »Der Traum jeder Dame!«
»Und die Wimpern«, sagte Mitt. »Vergiss nicht die Wimpern. Ach, der weiß damit zu blinzeln und zu klimpern, dieser Traumprinz!«
Moril kicherte. »Jetzt ist er fort, weil er ein Gedicht über dich schreiben möchte.«
»Nein, das stimmt nicht. Selbst er ist kein solcher Schwächling«, entgegnete Maewen.
»Doch, er verfasst wirklich ein Gedicht«, erwiderte Moril. »Er diktiert es seinem Schreiber. Der arme Mann hat’s nicht leicht, er muss es im Sattel zu Papier bringen.«
Maewen weigerte sich hinzusehen, darum wusste sie nicht, ob Moril die Wahrheit sprach oder nur etwas auf die Spitze trieb, das er für einen guten Scherz hielt. Außerdem wurde es schon dunkel, zu dunkel fürs Dichten – das hoffte Maewen zumindest. Sie hielten erneut, aßen und tranken, dann ritten sie weiter. Danach waren Mitt und Moril zu müde, um sie weiter aufzuziehen. Sie ritten nur noch.
Spät in der Nacht beriet sich Navis mit Luthan und dem Wassersturzer Waffenmeister und entschied, dass sie sich einen längeren Aufenthalt leisten konnten. Jeder kümmerte sich um die Pferde, aß ohne Appetit, fiel nieder und schlief drei Stunden lang. Dann ließ Navis sie wieder wecken und weiterreiten.
»Lodernder Ammet!«, stöhnte Mitt. »Muss das denn sein?«
»Ja«, sagte Navis. »Wir brauchen eine gute Verteidigungsstellung, bevor der Graf von Hannart dort ist.«
»Wegen Ynen?«, gähnte Mitt.
»Nicht nur seinetwegen«, sagte Navis.
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