Jones, Diana Wynne
mich dazu, euch zu überholen. Anderthalb Tage suche ich nun die Grünen Straßen nach euch ab, und jetzt kannst du einmal auf mich warten, Navis Haddsohn. Da fällt mir ein …« Alks Verärgerung war wie weggeblasen, und er wandte sich Mitt zu. »Das wird dir gefallen, Mitt. Ich bin schon so viele Jahre in Aberath, dass ich ganz vergessen habe, wie diese Grünen Straßen waren. Wunderbare ebene Strecken, wenn man einmal darauf ist – wunderschön sanfte Kurven, nicht eine einzige scharfe Krümmung – und nirgendwo eine steile Steigung! Ich müsste nur ein wenig tüfteln und ergänzen, und ich könnte Schienen auf den Grünen Straßen verlegen und meine Dampfmaschinen im gesamten Norden umherfahren lassen!«
Maewen hatte Navis angesehen, während er heftiger heruntergeputzt wurde als jemals zuvor in ihrem Beisein, doch mit diesen Worten riss Alk ihre Aufmerksamkeit auf sich. Darum also gab es in ihrer Zeit keine Grünen Straßen mehr! Dort verliefen die Eisenbahnstrecken! »Also darum…«, begann sie und verstummte.
Doch ihre kleine Stimme genügte, um nun die Aufmerksamkeit des großes Mannes auf sie zu lenken. »Und wer bist du, junge Dame?«, fragte Alk sie.
»Ich bin Noreth Einentochter«, sagte sie. »Du wolltest mich sprechen.«
»Bei allem Respekt, junge Dame«, sagte Alk, »aber ich glaube, das kann nicht sein.«
Und wieder zeigte er furchteinflößenden Grimm. Mitt und Moril bedachten sie mit Blicken, die blanke Angst verrieten. Was Navis betraf, so schaute er sie an, kniff die Augen zusammen und wandte den Blick ab, dass Maewen sich fühlte, als versinke sie rasch im Boden und lasse Sonne, Gras und alle Freundlichkeit hinter sich. »Was … was bringt dich auf diese Idee?«, vermochte sie Alk zu fragen.
»Der Grund, weshalb ich euch überhaupt gefolgt bin.« Im Sattel seines riesigen Pferdes richtete sich Alk starr wie ein Stein auf. »Vier Tage«, sagte er. »Vier Tage, nachdem Mitt nach Adenmund aufgebrochen war, kam Frau Eltruda von Adenmund nach Aberath. Sie kam persönlich. Verlangte nach Gerechtigkeit. In einer Mordsache. Sie brachte die Leiche mit, denn das Opfer war ihre Nichte. Noreth von Kredinstal. Dem Mädchen war die Kehle durchgeschnitten worden.«
»Das kann ich einfach nicht glauben!«, stieß Navis hervor. Sein Gesicht hatte eine blasse, blauweiße Farbe angenommen, nur seine Augen waren nach wie vor blutunterlaufen. »Glaubt Eltruda … die Baronin von Adenmund … verdächtigt sie etwa mich …«
»Du stehst auf ihrer Liste«, sagte Alk, »auch wenn ich nicht sagen möchte, dass ihr die Vorstellung gefällt.«
Navis sackte zusammen. Lange, tiefe Falten, die vor einer Minute noch nicht da gewesen waren, durchzogen mit einem Mal sein Gesicht. Sie bedeutet ihm wirklich e!, durchfuhr es Mitt verwundert. Diese kleine, laute Dame. Wer hätte das gedacht?
»Es scheint«, fuhr Alk fort, »dass man den Leichnam des Mädchens nicht gleich gefunden hat, weil ihr Mörder sie im Stall getötet hatte. Er zog die Tote in eine leere Box und überhäufte sie mit Stroh. Nur durch Glück wurde sie so früh entdeckt; ich schätze, der Mörder hoffte, dass bis zum Fund der Leiche noch mehr Zeit vergehen würde.«
Seine Augen glitten, kalt wie Stein, über alle vier. Mitt erschauerte. So kannte er Alk überhaupt nicht. Alk den Rechtsgelehrten hatte er vor sich. Wie er ihn so sah, begriff Mitt zumindest ansatzweise, weshalb die Gräfin Alk zum Mann genommen hatte. Wenn er so war wie jetzt, musste er selbst der Gräfin Furcht einjagen.
»Frau Eltruda«, fuhr Alk fort, »war früher selbst eine Rechtsgelehrte. Sie hat gute Arbeit geleistet. Sie stellte fest, wer sich zur Tatzeit auf dem Herrensitz von Adenmund befand, und ließ sich von jedem einzelnen nachweisen, wo er oder sie war, als der Mord geschah, und was er oder sie getan hat. So konnte sie den Täterkreis auf diejenigen Personen einkreisen, die am Mittsommermorgen Adenmund verlassen haben. Das nehmt ihr besser als Tatsache hin, ich tue es auch. Ich verdächtige euch alle« – seine Augen wanderten zu Maewen – »einschließlich dir. Ich habe die Tote gesehen. Du könntest ihre Zwillingsschwester sein, aber Noreth bist du nicht. Sie sah älter aus.« Sein Blick schweifte auf Moril und dann zu Navis. »Du hast Fenna gesagt, du habest geschworen, Noreth zu folgen, und du hast Frau Eltruda versprochen, dich um sie zu kümmern. Doch als ihr aufgebrochen seid, war Noreth schon tot.« Sein Blick glitt auf Mitt, und seine Augen verloren, wenn
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