Jones, Diana Wynne
anstellen.« Als Wend sich nicht rührte, ergriff sie seine kalte Hand und zerrte daran. »Du musst dir wenigstens etwas Trockenes anziehen.«
»Nicht nötig«, entgegnete Wend. Seine Kleidung begann zu dampfen, als stünde er in der warmen Sonne. Trotzdem erhob er keinen Einwand, als Maewen ihn, gefolgt von einer Dampfwolke, durch die steinige Halle zur Treppe zog. Was für ein Glück, dachte sie. Bei dem, was sie vorhatte, wäre es besser, wenn Major Alksen und Vater draußen beschäftigt waren. Aber warum tue ich das überhaupt?, wunderte sie sich, während sie Wend nach oben zerrte. Er hat geglaubt, er schickt mich zurück, damit ich in der Vergangenheit ermordet werde. Er wusste, dass er mich zu Kankredin schickt. Versuche ich, mich als würdig zu erweisen? Doch eigentlich kannte sie den Grund. Sie wusste genau, wie Wend zumute war.
Sie zerrte ihn durch den Ballsaal in den kleineren Raum, wo die Bilder hingen, und schob ihn zu der Vitrine, in der die alte Quidder lag.
»Hol sie raus«, sagte sie. »Spiel sie. Sie gehört sowieso dir.«
»O nein«, sagte er. »Ich habe sie meinem Sohn geschenkt. Und nun ist sie Eigentum der Königin.«
»Wirklich?«, fragte Maewen. »Soviel ich weiß, hat Moril sie Mitt hinterlassen, aber nicht Amil, und da Mitt noch lebt, gehört sie immer noch ihm. Ich weiß, dass es ihn nicht im Geringsten stören würde, wenn du sie hättest. Es ist doch reine Vergeudung, wenn sie hier nutzlos herumliegt.«
»Vielleicht«, sagte Wend. Er sah das alte Instrument an, als kämpfe er gegen eine sehr große Versuchung. »Aber irgendjemand wird es merken, wenn ich sie entwende.«
»Allmählich machst du mich wütend!«, rief Maewen. »Nach allem, was ich gehört habe, bist du einer der größten Magier, die es je gegeben hat. Gewiss kannst du es einrichten, dass es so aussieht, als wäre die Quidder noch immer da? Niemand wird je versuchen, auf ihr zu spielen, meinst du nicht auch?«
»Das ist wahr.« Wend blickte an seiner Uniform hinunter, die wieder schmuck und trocken war. Mit einer hoffnungslosen, umständlichen Gebärde pflückte er ein Stück getrockneten Tang ab und starrte das rotbraune Zweiglein einen Augenblick lang an, als hätte er so etwas noch nie gesehen. Plötzlich lächelte er. Er zog die Schlüssel aus der Tasche, schloss den Glaskasten auf und hob den Glasdeckel. Dabei schnippte er das Tangzweiglein hinein. Er nahm die Quidder auf; für Maewen sah es aus, als nehme er ein Gespenst der Quidder aus ihr selbst heraus. In der Vitrine lag noch immer eine Quidder, alt, bauchig und glänzend. Wend hatte genau die gleiche Quidder in der Hand und zog sich den Gurt über die Schulter.
»Den Gurt solltest du lieber ersetzen«, sagte Maewen. »Er ist schrecklich durchgescheuert.«
Wend glättete ihn. »Ich weiß schon. Ich habe den Gurt selbst gemacht. Er wird halten.« Sein Gesicht sah nun anders aus. Es wirkte frischer und glücklicher. Ernst mischte sich hinein, während er die Wirbel drehte und die Saiten stimmte. Sein Gesicht nahm einen Ausdruck verträumter Glückseligkeit an, als er eine kurze Melodie spielte. Die Quidder summte, sie schnurrte fast vor Glück. »Verzeih mir«, sagte Wend. Er blickte zum Porträt Morils hoch, als wäre Moril tatsächlich da.
»Das wird er«, sagte Maewen. »Sie ist ihm immer eine Last gewesen.«
Wend seufzte. »Ja, und das ist das Merkwürdige daran. Oder doch nicht? Meine Macht war es, die ich in diese Quidder gelegt habe – gut die Hälfte davon.« Er klimperte eine andere hastige Weise. Danach stand er anders da, gelassener, und er wirkte stärker. »Ich hätte diese Macht niemals weitergeben dürfen«, sagte er und blickte so träumerisch drein, wie Moril oft ausgesehen hatte. Dann drehte er sich um und verließ den Raum.
»Solltest du nicht meinem Vater sagen, dass du gehst?«, fragte Maewen.
»Meine Kündigung liegt nun auf seinem Schreibtisch«, antwortete Wend und beschwor einen lichten Wasserfall aus Tönen, während er ging. Seine Uniform war verschwunden. Er trug nun eine schäbige Lederjacke ähnlich der, die Mitt angehabt hatte.
Er ging wirklich. Maewen rief sich rasch in Erinnerung, dass sie all dies auch aus Eigennutz getan hatte. »Wend! Wie kann ich Mitt erreichen?«
Wend blieb stehen. »Über Cennoreth, würde ich sagen.« Dann drehte er sich um und blickte sie über die Schulter hinweg an, wie Navis auf dem Porträt hinter ihr. Sein Gesicht war über das Stadium des Glücks hinaus, es war das Gesicht eines Mannes,
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