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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 04 Die Krone von Dalemark
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jedoch genauso große Sorge bereitete, drängte sich auf: Der Mann auf dem prächtigen Pferd würde erst Herzog von Karnsburg werden, wenn Amil der Große schon einige Jahre herrschte. Wenn sie Noreth war und Noreths Reise gerade erst begann, dann war Amil der Große irgendwo sonst in Dalemark und noch alles andere als König. Dieser Mann war also noch nicht Herzog von Karnsburg, und sie wusste nicht, wie sie ihn anreden sollte. Wenigstens wusste sie nun, wie der Jüngere hieß.
    Sie lächelte Mitt scheu an und versuchte, sich höfisch vor seinem Begleiter zu verneigen. Er erwiderte die Verbeugung ironisch und sah Wend mit erhobener Braue an. Natürlich musste er zu den Menschen gehören, die eine Augenbraue heben können, ohne dass sich die andere auch nur eine Winzigkeit bewegt.
    »Ich bin Wend, Herr«, sagte Wend demütig, »und ich folge der Herrin auch.«
    »Gut, gut. Damit sind wir schon drei«, entgegnete der Mann. »Wie viele erwarten wir denn noch?«
    Maewen konnte ihm seine Frage nicht beantworten, denn sie konnte es wohl noch weniger abschätzen als er. Tatsächlich wusste sie nicht einmal, was nun von ihr erwartet wurde. Deshalb blieb sie reglos auf ihrem gestohlenen Pferd sitzen und hoffte, dass Wend so viel Anstand hätte, ihr einen Tipp zu geben.
    Wend jedoch sagte gar nichts. Sie alle saßen oder standen, während die Pferde nervös mit den Hufen scharrten und die rosa Dämmerung sich weiter ausbreitete und zu einem grauen Morgenlicht verblasste. Unter ihnen schien sich der Nebel zu verziehen, aber noch ließ er keine Landschaft erkennen, der Maewen wenigstens ein bisschen über die Umgebung hätte entnehmen können. Sie kam sich allmählich dumm vor, wie auf einer Feier, bei der alle geladenen Gäste ausbleiben.
    Der Mann, der eines Tages Herzog von Karnsburg sein würde, empfand offenbar das Gleiche. »Nach einer großen Gefolgschaft sieht es nicht gerade aus«, bemerkte er.
    Mitt war peinlich tief berührt. »Navis!«, empörte er sich.
    Navis heißt er!, dachte Maewen höchst erleichtert. Oder muss ich ihn mit Hoheit anreden? Nein. Sei nicht dumm. Noch nicht.
    »Ich schlage vor, wir warten bis zum Tageslicht, dann machen wir uns auf den Weg«, sagte Navis.
    Es war mehr eine Entscheidung als ein Vorschlag, so als hätte Navis den Befehl inne, doch Maewen war im Grunde froh, dass irgendjemand irgendetwas entschied. »Ja«, sagte sie. »Das klingt gut.«
    Zum ersten Mal hatte sie vor Mitt und Navis gesprochen. Sie bemerkte, dass Mitt sie verwirrt anblickte, als sei ihre Stimme oder ihre Aussprache oder etwas anderes nicht ganz richtig. Sie funkelte Wend an; sie war so ärgerlich, dass sie ihm am liebsten das glatte, nüchterne, stattliche Gesicht zerschlagen hätte. Erst lockte er sie mit List hierher, und nun half er ihr nicht. Wenn einer der beiden bemerkte, dass sie nicht Noreth war, wäre es seine Schuld, und es geschähe ihm recht.
    Zum Glück – wahrscheinlich jedenfalls – wurde Mitt dadurch abgelenkt, dass doch noch jemand kam. Aus dem Nebel hörten sie Getrappel und ein leises Rumpeln. Das konnten viele Leute sein. Sie alle wandten sich in die Richtung. Als Erstes schälte sich ein verdrießlich dreinblickendes Maultier mit Hängeohren aus dem Nebel. Dann fügte sich ein finsterer Umriss dahinter zu der buckelrunden Leinwandbespannung eines Wagens zusammen, der in einem schlichten Dunkelgrün gestrichen war. Der bärtige Mann, der den Wagen lenkte, wirkte genauso maßvoll wie sein Gespann, und als das Maultier den Wagen auf den ebenen Boden neben dem Wegstein zerrte, blickte er auf und zügelte das Tier, als sei er erstaunt, überhaupt jemanden hier anzutreffen. Maewen las seinen Namen in nüchternen Goldbuchstaben auf der Wagenseite: Hestefan der Barde. Das wiederum weckte ihre Aufmerksamkeit. Sie rief sich Vaters Familienstammbaum vor Augen. Er konnte einer ihrer eigenen Vorfahren sein. Sie hatte gar nicht gewusst, dass die Barden vor zweihundert Jahren noch immer durchs Land gezogen waren.
    »Das nenne ich eine Überraschung, Hestefan«, sagte Navis. »Hat Noreth auch dich bewegt, ihr zu folgen?«
    Er klang sogar noch ironischer als vorher, doch Hestefan antwortete schlicht: »Ich dachte, ich komme mit. Ja.« Seine Stimme rollte mit einem Schwall Atemnebel aus dem Mund; sie klang sonor und geübt, war jedoch nicht sehr tief.
    »Aber«, warf Mitt ein, »Fenna ist doch gar nicht reisetüchtig, oder?«
    Ein Junge streckte den Kopf aus dem hinteren Teil des Wagens. »Wir sind keine

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