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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 04 Die Krone von Dalemark
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hatte, wurde er unversehens merkwürdig unbeschwert. »Wie ich es sehe«, sagte er, »muss ich den Einen gebeten haben, dich genau zu dem Augenblick auf die Straße des Königs zu senden, in dem Noreth verschwand, damit du herausfindest, was geschehen ist, und mir berichten kannst, sobald du wieder in die Gegenwart zurückkehrst.«
    »Aha.« Maewen blickte auf ihre etwas schmuddligen Sandalen, die auf dem glänzenden Fußboden standen. Dann muss ich ja so verrückt gewesen sein wie er … werde ich so verrückt sein! Aber wenn er natürlich mit dabei gewesen ist, dann ist er über zweihundert Jahre alt, und das heißt, er kann nicht verrückt sein. Es passte alles zusammen. Maewen wusste jedoch, dass die Fantastereien Verrückter oft sehr gut zusammenpassten. Deshalb fiel es ihnen ja auch so schwer, dort wieder herauszufinden. Die beste Möglichkeit, Wend zu zeigen, dass er Unsinn redete, bestand vermutlich darin, dass sie ihn versuchen ließ, sie tatsächlich in die Vergangenheit zu schicken. Nein. Vielleicht wurde er dann gewalttätig. Am besten ließ sie ihn stehen. Sie schob sich langsam an dem Glasschrank zur Seite und stemmte die Sandalen gegen den Boden, um fortlaufen zu können.
    Wend lächelte höflich wie immer. »Danke. Ich muss nämlich an diese Vitrine. Dein Vater möchte, dass ich einige dieser Stücke woanders hinbringe.«
    Er holte seinen Schlüsselbund hervor und näherte sich dem Schloss der gläsernen Schiebetür. Dabei kam er ihr ihrer Ansicht nach viel zu nahe. Ihr Magen verknotete sich, und sie spürte die eigenartigen Nadelstiche im Rücken, die sie immer hatte, wenn sie im Begriff stand, einen Fehler zu begehen. Eigenartig, dass Wend ihr stets dieses Gefühl vermittelte. Sie glitt noch weiter fort und beobachtete ihn wachsam, wie er erst das elektronische und dann das mechanische Schloss öffnete. Noch einige Sekunden, und sie war weit genug weg, um es wagen zu können, davonzueilen und Hilfe zu suchen.
    Wend griff in den Glasschrank und holte sanft, fast ehrerbietig eine kleine goldene Statue hervor, die dort zwischen Vasen, Salzstreuern, Ringen und anderen Dingen aus Gold stand. Während Wend sich Maewen zuwandte, die Statue in beiden Händen – sie konnte sehen, dass sie sehr schwer war –, reckte Maewen den Hals, um das Schild zu lesen, auf dem sie geruht hatte.
    F IGUR EINES K ÖNIGS ODER A DLIGEN ( G OLD).
    V ORGESCHICHTLICH. H ERKUNFT UNBEKANNT.
    »Das ist die Figur des Einen, die meine Familie einst gehütet hat«, sagte Wend. Das Funktelefon an seinem Gürtel piepte, während er noch sprach. Er runzelte die Stirn. »Kannst du das für mich zu deinem Vater bringen? Jemand braucht mich.«
    Er hielt ihr die kleine Goldfigur hin. Eine bessere Ausflucht zu gehen hätte sie sich nicht wünschen können. Froh streckte Maewen beide Hände danach aus und nahm die Figur an sich. Sie war so alt und abgegriffen, man konnte gerade noch sehen, dass sie einmal ein Gesicht gehabt hatte und einen langen, einem Poncho ähnlichen Mantel trug, doch in dem Moment, in dem Maewen sie berührte, wurde das eigenartige Gefühl, einen Fehler zu begehen, plötzlich viel stärker als vorher. Ihr taten davon die Zähne weh, und ihr Haar schien sich aufzustellen. Sie riss die Hände zurück. Da aber wurde das Prickeln der Stecknadeln auf ihren Händen und Beinen und ihrem Gesicht noch schlimmer. Sie schienen ihr sogar in die Augen zu dringen, denn der lang gestreckte leere Raum wurde neblig, und auch in die Ohren, sodass sie das Piepsen von Wends Funkgerät nur noch sehr schwach hörte.
     

6.
    Der Nebel war genauso kalt wie dicht. Maewen verlor ihren Orientierungssinn. Sie stolperte und spürte kurzes, taufeuchtes Gras, das ihre Sandalen durchnässte. Es fühlte sich eisig an. »Oh-autsch!«, schrie sie auf.
    Ihre Stimme besaß die widerhalllose Klarheit, wie man sie nur unter freiem Himmel hört – ganz anders als im Holz und Stein der Museumsgalerie. Und wir müssen hoch oben sein, wusste sie sofort; sie war schließlich im Gebirge aufgewachsen. Sie hob den Kopf und blickte sich ängstlich um. Alles war in Nebel getaucht, dichten weißen Nebel, nur nicht – ein Segen! – ein rosa Streifen Dämmerlicht zu ihrer Rechten. Und irgendwo dort vor ihr im Nebel war etwas Dunkles. Maewen machte zwei lange, quälend kalte Schritte auf dieses dunkle Ding zu, und sie genügten, dass ihr die Füße taub wurden. Das Ding entpuppte sich als ein runder Stein, der ihr etwas über die Hüfte reichte und ein Loch in der

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