Jones, Diana Wynne
teuer aussehendes Mundtuch aus Leinen ein und kaute noch, während er näher kam. »Sie haben mir auch ein Mittagessen spendiert«, sagte er. »Ich hatte mich schon gefragt, wohin ihr verschwunden wart.«
»Und wo ist Hestefan?«, fragte Navis.
Moril sah ihn ein wenig bang an. »Er sagte, er würde sich ausruhen und mit Wend am Wegstein auf uns warten. Ich glaube, es geht ihm nicht sehr gut. Er sieht krank aus, seitdem der Wagen umgestürzt ist.«
»Glaubst du, er hat sich damals etwas getan?«, fragte Mitt.
»Ja, aber das würde er niemals zugeben.«
Schließlich erreichten sie das Tor und standen vor dem Mann mit den schlechten Zähnen. Moril lächelte ihn strahlend an. »Könntest du wohl auf meine Quidder aufpassen, bis ich wieder herauskomme?« So hat er es wohl auch geschafft, dass die Kutsche ihn mitnimmt, dachte Maewen, während sie beobachtete, wie der Pförtner zunächst versuchte, Moril den Gefallen abzuschlagen, dann aber nachgab und die Quidder behutsam in die Arme nahm. Barden lernten, mit Menschen umzugehen.
»Durch den Garten, dann nach rechts zum kleinen Viereck«, sagte der Mann zu ihnen wie zu allen anderen.
Niemand beachtete den Garten. Moril und Maewen versuchten, auf dem kopfsteingepflasterten Weg mit Navis und Mitt Schritt zu halten. Sie durchschritten einen Torbogen nach rechts und gelangten auf einen quadratischen Hof, den Gebäude umgaben. Eine lange Reihe junger Leute stand dort. Sie waren in Grau mit breiten weißen Kragen gekleidet. Einige waren viel jünger als Moril, andere beinah erwachsen. Die meisten schienen etwa in Maewens wirklichem Alter zu sein. Viele von ihnen begrüßten bereits Eltern und andere Verwandte, die meisten anderen blickten zur Seite auf den Bogengang und warteten auf ihre eigenen Familien. Es wurde weder gerufen noch sich umarmt, und kaum jemand zappelte. Anscheinend gab man auf dieser Schule vor, sehr erwachsen zu sein. Dadurch wurde alles recht kompliziert. Mitt, Navis, Moril und Maewen gingen im Krebsgang an der Reihe vorbei, während die Wartenden kühl an ihnen vorbeiblickten, bis Navis vor einem dünnen, dunkelhaarigen Mädchen stehen blieb, dessen Gesicht zu einem permanenten Stirnrunzeln verzogen zu sein schien.
»Hildi!«, rief er. Grenzenlose Freude und Erleichterung schienen ihn zu beherrschen. Mitt ging es genauso.
Das dunkelhaarige Mädchen wandte sich von dem hochgewachsenen Mädchen neben ihr ab, mit dem sie getuschelt hatte, und starrte Navis an. »Vater! Wie kommst du denn hierher!« Ihr Gesicht leuchtete auf. Im ersten Augenblick sah es ganz so aus, als wolle sie Schultradition Schultradition sein lassen und Navis um den Hals fallen. Dann erinnerte sie sich des erwachsenen Benehmens und ergriff seine beiden Hände. Sie strahlte über das ganze Gesicht. Dadurch wirkte sie viel jünger. »Vater, das ist gut! Jetzt kann ich jemanden herumführen, und jemand feuert mich doch noch beim letzten Grittling an!«
»Bist du wohlauf? Gefällt es dir hier?«, fragte Navis sie.
»Absolut Oberspitze!«, rief Hildi. »Ich möchte nirgendwo anders hin. Ach, das hier ist Biffa.« Sie drehte sich zur Seite und stellte das große Mädchen neben ihr vor. »Biffa ist meine Besting. Hast du etwas dagegen, wenn sie mit uns geht? Sie ist wie ich eine Rosengebettete, und ihre Eltern können es sich nicht leisten, heute herzukommen. Bitte. Sie hat niemanden, wenn ich weggehe.«
»Es ist mir eine Ehre«, sagte Navis. Die große Biffa lief bis hinunter an ihren Kragen rot an und stand hilflos lächelnd da wie ein Klotz. Sie hatte ein sehr niedliches Lächeln. Es verwandelte ihr scheibenartiges Gesicht völlig und machte deutlich erkennbar, weshalb Hildi sie mochte.
»Gut«, sagte Hildi und wollte Navis mit sich schleppen. Seine Begleiter ignorierte sie völlig.
Navis blieb stehen. Mitt sagte: »Hallo, Hildi.«
Hildi blickte ihn über die Schulter an. »Ach hallo, Mitt.« Ihr Ton war kaum noch freundlich zu nennen. Maewen konnte es nicht ertragen, Mitt ins Gesicht zu schauen. Sein Schmerz und seine Enttäuschung waren so offensichtlich und so tief, dass schon der eine Blick, den Maewen von Mitt erhaschte, sie ebenfalls verletzte.
Navis zog Hildi fest zurück. »Meine liebe Tochter«, sagte er, »nicht so eilig. Ich möchte dir meine Freunde vorstellen. Diese junge Dame ist, äh, Ilona Karntochter.«
Maewen verbeugte sich und war beeindruckt, dass Navis daran gedacht hatte, ihr einen anderen Namen zu geben. Hildis Blick glitt über Maewens von der Reise
Weitere Kostenlose Bücher