Jones, Diana Wynne
so unernst! Du versuchst immer, mich von etwas abzuhalten, indem du mich lächerlich machst!«
»Eins wollen wir klarstellen«, sagte Navis in beinah ärgerlichem Ton. »Ich habe niemals auch nur ansatzweise beabsichtigt, dich daran zu hindern, eine Rechtsgelehrte zu werden. Ich versuche auch jetzt nicht, dich davon abzuhalten.«
»Doch, das tust du aber!«, schrie Hildi. »Wenn das schief geht, wovon du mir erzählt hast, dann sind wir auf der Flucht, und ich kann nie wieder hierher zurück! Dann müsste ich nämlich alles, was ich werden will, für die Politik opfern, wie schon mein ganzes Leben lang. Und deshalb gehe ich nicht mit. Ich weigere mich, mit dir zu gehen. Ich bleibe hier!« Sie fuhr herum und stolzierte, wütend die blaue Kapuze schwenkend, die Treppe hinunter.
Navis blickte ihr nach, bis sie in der wimmelnden Masse verschwunden war. Er hatte die Augen zusammengekniffen und wirkte boshaft und unglücklich zugleich.
»Verzeih mir, Herr«, sagte Biffa, die scheu auf ihn herabblickte.
Navis fuhr zusammen und sah zu ihr hoch. »Dringt denn gar nichts, was ich sage, zu ihr durch?«, fragte er Biffa.
»Im Grunde nicht«, gab Biffa zu. »Aber zu mir ist es durchgedrungen. Deshalb wollte ich dich gern sprechen, Herr. Ich weiß, dass sie die Akademie verlassen und irgendwohin gehen sollte, wo kein Graf nach ihr suchen wird, und ich dachte… Jedenfalls, wenn ich sie fragen würde, ob sie den Sommer über in unsere Mühle mitkommen möchte, würde sie einwilligen, das weiß ich bestimmt, und niemand würde damit rechnen, denn wir sind arme Leute. Aber … aber ich habe nur Geld, um ein Pferd zu mieten.«
Navis’ Gesicht entspannte sich. »Der Eine segne dich, mein Kind!«, sagte er. »Damit wäre für den Sommer gesorgt. Aber wenn du dich erinnerst, sprach ich von einem Feldzug im Herbst. Fällt dir auch eine Möglichkeit ein, wie wir sie davon abhalten, im neuen Semester hierher zurückzukommen?«
Biffa verdrehte scheu ihre Kapuze. »Das wollte ich dir ebenfalls sagen, Herr. Wir haben wirklich schlimme Herbststürme in Anstal. Manchmal kommt man erst Wochen nach dem Erntefest in die Täler. Letzten Herbst bin ich vier Wochen zu spät hier angekommen. Auf diese Weise habe ich Hildi kennen gelernt. Wir waren beide Verspätete und haben beide ein Stipendium. Aber Hildi kam einen Monat nach mir, darum weiß sie von nichts.«
»Aha!«, rief Navis. »Das ist überaus gerissen, meine Liebe!« Biffa wurde rosarot im Gesicht und warf Mitt ein schüchternes Lächeln zu, dann auch Maewen und Moril. »Nun, wenn du glaubst, dass du meine undankbare Tochter schützen kannst«, fuhr Navis fort, während er seinen Geldgürtel öffnete, »dann hast du hier die Miete für ein Pferd und Geld für Hildis Unterhalt. Reicht das?«
Biffa blickte auf den Haufen Goldmünzen, den er ihr in die Hand gedrückt hatte, und machte große Augen. »Damit könnte ich ein Jahr auskommen, Herr – sogar zwei, wenn ich bescheiden lebe. Ich gebe es Hildi sofort, um nicht in Versuchung zu geraten. Und das Dritte, was ich dir sagen wollte: Wir müssen sofort aufbrechen, zusammen mit allen anderen, damit Hildi fort ist, wenn diese Hannarter nach ihr zu suchen beginnen. Meinst du das nicht auch, Herr?«
»Ohne jede Einschränkung«, sagte Navis. »Biffa, du bist eine außergewöhnlich kluge junge Dame.«
Biffa lief noch stärker an. »Ja, das weiß ich«, sagte sie. »Aber weil ich so ungeschlacht bin, unterschätzt mich jeder. Ich mache mir das oft zunutze.« Alles lachte. Das war zu viel für Biffa. Sie drehte sich um und lief fort.
»Das ist ein Original«, sagte Navis.
»Traust du ihr etwa?«, fragte Mitt.
»Ich glaube, sie ist ehrlich«, sagte Moril. »In gewisser Weise verehrt sie Hildi – ihr wisst schon, wie Mädchen es eben tun.«
»Aber das viele Geld!«, brummte Mitt, während sie sich der schlurfenden Masse von Menschen anschlossen, die versuchten, den Platz zu überqueren und durch das Tor das Schulgelände zu verlassen. »Ich würde mir ja selber nicht trauen mit so viel Geld. Und sie sagte selber, dass sie die Leute mit ihrem Äußeren übertölpelt.«
Ans Tor zu gelangen, war nervenzermürbend. Sie schlurften, blieben stehen und schlurften weiter; der Rasen wurde unter den vielen Füßen platt getreten. Sie waren zu weit vom Tor entfernt, um zu wissen, ob der Kelch schon vermisst wurde oder ob man so oft stehen bleiben musste, weil die Hannarter Gefolgsleute am Tor nach Hildi oder Maewen Ausschau hielten. Und das Tor
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