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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 04 Die Krone von Dalemark
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Hestefans, sagte der Lehrer in dem blau-grauen Gewand: »Für jene, die nun hinaus in die Welt ziehen, ist dies ein ernster Abschied. Für die, die im nächsten Erntemond wiederkehren, ist der Abschied nur vorübergehend. Begleiten werden sie, so hoffe ich, neue Vorsätze und höhere Bestrebungen. Ich würde mich glücklich schätzen, wenn ihr alle ernsthaft in Erwägung ziehen würdet…«
    Maewen ließ die sonore Stimme in ihren Ohren zu einem Brummen verklingen. Ich glaube es einfach nicht!, dachte sie. Diese Ansprache müssen Rektoren schon seit Erfindung der Schule gehalten haben!
    Hinter sich hörte sie Füßescharren. Mitt und sie fuhren gleichzeitig herum. Es war jedoch nur Moril, der auf Zehenspitzen zu ihnen schlich. Er sah bleich und besorgt aus. Bei seinem Anblick rieb sich Mitt schuldbewusst wieder über die Brust. »Was ist geschehen?«
    »Der Kelch!«, wisperte Moril zurück. »Ich wollte ihn holen, aber er war fort!«
    »Nur keine Bange«, murmelte Navis. »Das Sakrileg ist bereits begangen worden.«
    »Seht ihr darum alle so betreten aus? Warum gehen wir dann nicht einfach?«, fragte Moril.
    Auf den Stufen drehten sich Leute um und sagten: »Pst!« Navis legte einen Finger auf die Lippen. Maewen riss sich genügend zusammen, um Moril beim Arm zu nehmen und ihn mit sich zurück hinter die Ecke zu ziehen.
    »Wir müssen gehen, wenn alle gehen, sonst wissen sie sofort, wer ihn genommen hat«, flüsterte sie.
    Moril war kein Dummkopf. Sie sah, dass er in dem Augenblick begriff, in dem sie es ihm sagte. »Tut mir Leid«, sagte er. »Aber ich habe Mitt versprochen, ihn zu nehmen. Er …«
    »Es war nicht Mitt. Es war Navis.«
    Darüber war Moril offenkundig erstaunt. Nun, da sie darüber nachdachte, erstaunte es Maewen ebenfalls. Navis war ein sehr erwachsener, besonnener Mensch. Wenn er es für nötig hielt, den Kelch zu stehlen, so erschien die ganze Angelegenheit plötzlich sehr viel ernster.
    Als sie wieder um die Ecke bogen, sagte der Rektor gerade: »Wir werden nun wie gewohnt unser Gebet an den Einen singen, den besonderen Schutzherrn unserer Schule. Was danach kommt – nun, davon wissen meine Kollegen und ich überhaupt nichts.«
    Aus irgendeinem Grund lachte fast jeder. Dann stimmten die grauen Reihen der Schüler ein Lied an, eine einfache, ernste Beschwörung des Einen, die mit nichts vergleichbar war, was Maewen je gehört hätte. Mitt war genauso verblüfft darüber wie sie. Das Lied war schön. Die merkwürdige alte Melodie schwoll an und stieg empor; sie war zugleich warm und fröstelnd, und voller Ehrerbietung. Während des Liedes schien etwas den gewaltigen Hof zu füllen, das nicht von dieser Welt zu stammen schien. Maewen bekam eine Gänsehaut. Navis hat etwas Schreckliches getan!, dachte sie. Doch der Grafensohn zuckte mit keiner Wimper.
    Moril lauschte skeptisch. »Mir gefallen die alten Melodien einfach nicht«, sagte er. »Was geht… Ach ja, ich erinnere mich.«
    Der Rektor und die Lehrerschaft waren von der Front des Gebäudes verschwunden, als habe der Erdboden sie verschluckt, und die Reihen der grau uniformierten Schülerinnen und Schüler wimmelten plötzlich durcheinander. Fast jeder von ihnen zog sich eine farbige Kapuze über den Kopf, und die meisten legten auch klobige Handschuhe an. Recht viele dieser Kapuzen waren grau, manche hatten einen blauen oder orangefarbenen Federbusch auf der Spitze. Kaum sah Maewen diese Kapuzen, als ihr klar wurde, wie ihr Angreifer sich so vollkommen hatte maskieren können. Er musste die Kapuze aus einer Garderobe gestohlen haben. Die Kapuzen bedeckten die Gesichter und ließen nur die Augen frei. Ernste Schülerinnen und Schüler waren nun zu Ungeheuern mit ungestalten Gesichtern und formlosen grauen, grünen oder roten Köpfen geworden. Der Anblick schlug Maewen auf den Magen.
    Ein wirres Gebrüll, gedämpft und eigenartig, drang unter den Kapuzen hervor. Es klang wie: »Schlecht drauf«, und »Herry ist aus.«
    Im nächsten Moment begann Kialan die Stufen auf einer Seite hinunterzusteigen und versuchte dabei, das sah man ihm an, nicht so albern und tölpelhaft zu wirken, wie er sich fühlte. Er blieb knapp vor den umherwimmelnden Bestien stehen.
    »Sie bitten immer den bedeutendsten Gast, es zu eröffnen«, erklärte Moril.
    »Ei, ei, ei«, erklangen die gedämpften Rufe. »Au, au, ei.«
    Kialan nickte. Von der Treppe warf ihm jemand einen großen, zerlumpten braunen Ball zu. Kialan nahm ihn in eine Hand, beugte sich damit zur Seite und

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