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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 04 Die Krone von Dalemark
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störend rauschte und alle sich hin und her zu wälzen begannen, weil das Gras platt gedrückt war und die harte Erde zu spüren war, hatte Mitt einen seltsamen Traum. Gefahr spielte darin eine Rolle, und Wunder auch, und beides war verwirrend miteinander verquickt.
    Der Traum begann damit, dass Mitt von oben auf das Lager herabblickte. Er sah den silbernen Kelch leuchten, und ganz in der Nähe strahlte noch etwas anderes in einem gelblicheren Ton. Nach einer Weile begriff er, dass dieses gelbliche Leuchten von der goldenen Statue stammte. Sie besaß große Bedeutung. Mitt blickte sie an und dachte: Noreth braucht sie nun nicht so dringend. Ich kann mir meinen Anteil nehmen. Aber nicht deswegen war die Statue so wichtig. Mitt rätselte darüber nach, bis seine Aufmerksamkeit von den Grünen Straßen abgelenkt wurde, die sich vom Lager fortwanden. Während er sie noch anblickte, träumte er schon, dass er wieder im Lager war, unter seiner Decke lag und davon träumte, die Grünen Straßen zu betrachten.
    Träumend betrachtete er die Grünen Straßen genauer. Sie liefen in alle Richtungen, wanden sich durchs Gebirge, verbanden einen Ort mit dem anderen. Er sah sie alle; sie führten an Wassersturz vorbei bis hin nach Karnsburg und noch weiter in die Nordtäler und in den Süden. Jawohl, es hatte auch in den Südlanden einmal Grüne Straßen gegeben, doch sie wurden nicht mehr instand gehalten. Auf ihnen bewegte sich etwas und verbarg sie, etwas Gefährliches. Doch dieses Gefährliche hatte von jeher die Absicht gehabt, sich über ganz Dalemark auszubreiten.
    Mitt träumte, dass er sich wohler gefühlt hätte, wenn nicht alle Straßen zu ihm geführt hätten, während er unter den Ebereschen lag und in Gefahr schwebte. Da die Vorstellung von Gefahr ihn ungeduldig machte, richtete er seine Aufmerksamkeit wieder in die Ferne, auf die Straßen, die sich im Lichte des untergehenden Mondes grau ausdehnten, und warf einen Blick auf die Menschen, die auf ihnen reisten. Erstaunlich viele Menschen waren so früh schon auf den Beinen oder hatten sogar bereits eine Nachtreise hinter sich. Zu ihnen gehörte Hildi. Weit entfernt von Mitt näherte sie sich an Biffas Seite dem rauchenden Berg und hatte Anstal schon fast erreicht. Kialan war ebenfalls unterwegs, er würde bald in Hannart ankommen. Das verhieß Gefahr. Besorgt sah Mitt nach Norden, wo Morils Bruder, der junge Barde, in höchster Eile Richtung Adenmund fuhr. Reiter folgten Dagner. Sie schlossen allmählich zu ihm auf. Auch das bedeutete Gefahr.
    Ein schwarzer, bedrohlicher Fleck aber lag genau über dem Lagerplatz unter den Ebereschen.
    Mitt übersah ihn halsstarrig und beobachtete weiterhin die Straßen. Er sah, dass auch Unvergängliche auf ihnen wandelten, ohne indes von gewöhnlichen Menschen bemerkt zu werden. Sie sahen den gewöhnlichen Menschen auch so ähnlich, dass Mitt sich fragte, woran er eigentlich erkennen konnte, dass es sich um Unvergängliche handelte. Trotzdem erkannte er König Hern, der die Straße des Königs entlangzog, um Karnsburg zu bauen; allerdings war König Hern noch ein schlaksiger Junge, nicht älter als Mitt. Er sah Manaliabrid, die mit dem Adon ins Exil floh, und einen kleinen Jungen, den Sohn des Adons. Der Adon erwies sich als kleiner Mann, der Navis viel stärker ähnelte, als Mitt erwartet hätte, und Manaliabrid hatte sehr viel mit Noreth gemein. Wend war zu Mitts Überraschung auch bei ihnen, und er sah aus wie immer.
    Nun wusste er, dass er träumte. Deshalb überraschte es ihn gar nicht, dass die Grünen Straßen sich ins Gestern wanden. Er lag da und sann darüber nach. Sie schlängelten sich vor und zurück durch die Geschichte, bis in die Gegenwart reichten sie, bis an die Stelle, wo er in solcher Gefahr lag, und von da aus wanden und schlängelten sie sich in die ferne Zukunft. Die Unvergänglichen gingen immer weiter und nahmen die Straßen durch die Zeit, und mit ihnen zog die Geschichte, übersah sie aber; die Zeit vergaß, dass die Unvergänglichen es waren, die Geschichte schrieben. Mitt sah zu, wie die Straßen wieder in den Süden entschwanden. Er beobachtete Schlachten und andere eigenartige Dinge. Er hätte zu gern noch mehr gesehen, wenn die Straßen sich nicht immerfort in die Ebereschen zurückgewunden und ihm gezeigt hätten, dass Noreth eine Gefahr war.
    »Nein«, sagte Mitt in seinem Traum. »Sie ist vielleicht in Gefahr, aber sie selbst ist keine Gefahr.«
    Und der Traum sagte ihm immer wieder: »Nicht Noreth.

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