Jones, Susanna
für eine weitere Fragerunde geliefert.
«Ich mag's jedenfalls so, wie es ist.»
«Dann ist es also nichts von Dauer?»
«Könnt schon sein, ich habe nur noch nie so darüber nachgedacht. Ich meine, das ist kein Thema für uns, weil wir schon alles haben, was wir uns wünschen.»
«Ich würde ihn unheimlich gern kennen lernen.»
Vielleicht wäre es nicht schlecht gewesen. Dann hätte ich Teiji zeigen können, dass ich auch andere Freunde hatte. Ich war nicht so von ihm besessen, dass ich unter dem Zwang stand, kaum dass er nicht da war, in seine Wohnung einzubrechen und seine persönlichsten Dinge zu durchwühlen. Das war einfach so passiert, ein einmaliger Ausrutscher, eine Laune. Von alldem sagte ich Lily nichts. Ich hatte das Gefühl, als könnte es vielleicht reichen, da im Dampf zu liegen und mir diese Gedanken durch den Kopf gehen zu lassen, damit Lily sie verstand. Sie beugte sich herüber und schloss die Finger um meinen Knöchel.
«Wie fühlt es sich an?»
«Prima. Sticht nur ein bisschen.»
«Heute Abend sollten Sie ihn schonen. Machen Sie sich einen kalten Wickel und legen Sie den Fuß hoch.»
«Klingt gut. Wollten Sie schon immer Krankenschwester werden?»
«Ja, schon immer. Ich hab mir nie etwas anderes vorstellen können.»
«Jetzt arbeiten Sie in einer Bar. Fehlt Ihnen Ihr früherer Beruf nicht?»
«Komischerweise nein. Aber ich bin immer noch Krankenschwester und werde auch wieder als Schwester arbeiten. Ich höre nicht auf, mich als Krankenschwester zu fühlen, nur weil ich den Beruf nicht ausübe. Ich bin eben Krankenschwester. Und genau das werde ich auch immer sein.»
«Jemand, der die Leute pflegt, die Scherben einsammelt.»
«Ja.» Sie lächelte und spritzte sich Wasser über die Arme. «Geht es Ihnen nicht genauso mit der Übersetzerei?»
«Genau umgekehrt. Obwohl ich als Übersetzerin arbeite, fühle ich mich nicht als eine. Ich begreife mich nicht als Übersetzerin. Vielleicht liegt's daran, dass ich nicht mehr das Gefühl habe, zwei verschiedene Sprachen zu sprechen. Es ist eher eine einzige, große mit unterschiedlichen Aspekten.»
«Das Einzige, was ich an Japanisch kann, ist das, was Sie mir beigebracht haben. Sprechen Sie mit Teiji eigentlich Englisch oder Japanisch?»
«Beides. Sowohl als auch.»
«Sehen Sie ihn heute Abend?»
«Wir haben nichts vereinbart. Ich werd sowieso zu müde sein. Aber vielleicht besuche ich ihn morgen im Nudellokal. Ja, ich glaube, das mache ich.»
«Sie haben gesagt, Sie würden mir beibringen, wie die verschiedenen Sorten Nudeln heißen.»
«Hab ich das?»
Ich hatte ihre zarte Andeutung nicht überhört, aber ich hoffte, sie würde mich gleichfalls verstehen und es aufgeben.
«Ich habe praktisch noch nichts richtig Japanisches gegessen. Ich geh gewöhnlich zu McDonald's. Es ist nicht so, dass ich kein japanisches Essen probieren möchte, aber ich weiß einfach nicht, was ich verlangen oder wie ich es essen soll. Es wäre nützlich, das zu wissen.»
Ich stemmte mich aus dem Wasser und trat versuchsweise mit dem rechten Bein auf. Der Knöchel fühlte sich viel besser an.
«In Ordnung. Wenn Sie mitkommen möchten, ich fahr so gegen zwölf.»
«Soll ich Sie von zu Hause abholen? Wenn Sie mir sagen, wo das ist...»
«Das wär Unsinn. Das Nudellokal ist am anderen Ende von Tokio. Wir treffen uns am Takadanobaba-Bahnhof.»
Lily starrte mich an, entsetzt, dass ein Wort gleichzeitig so fremd und so lang sein konnte.
«Ich schreib's Ihnen auf», sagte ich und ging wieder ins Badehaus, um mir ein Handtuch zu besorgen.
5
Ich knacke mit den Fingern, einem nach dem anderen. Kame-yama hat es satt zu warten, lehnt sich ächzend auf seinem Stuhl zurück. Ich kann's ihm nicht verdenken. Mir ist völlig klar, wie viel Ärger ich verursache. Wenn ich ihm nur ein wenig Beachtung schenkte, könnte er in diesem Fall vielleicht ein Schrittchen weiterkommen. Aber ich bin nicht zum Reden aufgelegt, noch nicht. Das Problem ist, dass ich gar nicht weiß, was an dem Abend passiert ist. Es ist nur ein verschwommener Fleck in meinem Gedächtnis. Ich muss es wieder zutage fördern, mich Stückchen für Stückchen erinnern, bevor ich es ihm sagen kann. Herr Kameyama wird schon Geduld aufbringen müssen. Oguchi spielt mittlerweile mit dem anderen Knie seiner Hose, reibt sanft daran, zupft an der Seitennaht. Unsere Blicke begegnen sich, und er sieht weg. Ich glaube, die Entsetzlichkeit des Verbrechens, das ich begangen haben könnte, kommt ihm allmählich zu
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