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Jones, Susanna

Jones, Susanna

Titel: Jones, Susanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Erde bebt
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uns zu kennen, ab wären wir einst in einer anderen Welt zusammen gewesen. Nach diesem Erlebnis quittierte ich den Polizeidienst und bin seither bei der Kirche, wo ich zum Geistlichen ausgebildet werde. Es war
    die richtige Entscheidung. Ich lernte Felicity im Kirchenchor kennen, und wir haben letztes Jahr geheiratet. Sie ist die Chorleiterin und hat eine wunderschöne Stimme. Wir sind sehr glücklich miteinander und hoffen, in nicht allzu ferner Zukunft das Getrippel von Kinderfüßchen hören zu können.
    Es belastet mein Gewissen, in dir, Lucy, eine für mich von Ihm erschaffene Schwester zu haben und dich doch überhaupt nicht zu kennen. Es wäre schön, eines Tages von dir zu hören und von all deinen Abenteuern drüben im geheimnisvollen Fernen Osten zu erfahren.
    Ich möchte diesen Brief mit einem Gedicht von Mama schließen. Sie sagte nicht, warum sie es schrieb, aber ich bin mir dessen gewiss, dass es von dir spricht -und von Mamas Wunsch, du möchtest in unser aller Leben zurückkehren. Ich denke, du wirst es sehr bewegend finden. In Ihm der deine, Jonathan
    Das Gedicht stand auf einem eigenen, für sich gefalteten Blatt. Ich öffnete es und faltete es dann wieder zusammen, ohne etwas gelesen zu haben. Ich saß bestimmt zwanzig Minuten lang an meinem Schreibtisch und trommelte mit den Fingern, außerstande, etwas anderes zu tun. Schließlich zog ich das Blatt aus dem Umschlag, faltete es langsam auseinander und fing an zu lesen.
    ABENDE OHNE TROST von Miriam Fly
    Der Abend bringt mir keinen Trost, Nur Tee aus meiner Lieblingstasse, Da ich in meinem alten, alten Sessel sitz Und mich der Arthritis überlasse.
    Kein froher Schall von Kinderspiel, Kein Lachen füllt die Räume, Ein Spukhaus ist mein Aufenthalt; Gräber umsteh'n die Bäume.
    Die Tür jedoch steht immer offen, Und ich wünscht, du, du kämst ins Haus, Mir ein Willkommenslicht zu bringen Und nicht zu sagen: Es ist aus.
    Auch wenn ich weiß - es ist so.
    Ich lachte laut über Miriams Knüttelverse und entschied, dass das Gedicht mit größerer Wahrscheinlichkeit der Hoffnung auf einen von Felicitys Schmorbraten als auf Lucys Heimkehr Ausdruck verlieh.
    Meine Gefühle Jonathan gegenüber waren ein wenig komplizierter. Dass sein Versuch, sich mit mir gut zu stellen, ganz offensichtlich Teil eines umfassenderen Plans war, mit dem er sich - zumindest so lange, bis Er ihm einen Job besorgt haben würde - mit Gott gut zu stellen hoffte, ließ mich absolut kalt. Aber trotzdem, es ist immer aufregend, einen Luftpostbrief zu bekommen, in einem dicken, briefmarkengepflasterten Umschlag. Es ist unmöglich, dem Absender nicht wenigstens ein kleines bisschen dankbar zu sein. Aber ich legte den Brief in eine Schublade und beschloss, vorerst überhaupt nicht darauf zu reagieren. In ein paar Monaten würde ich ihn wieder hervorholen und entscheiden, ob ich eine Weihnachtskarte schicken sollte oder nicht. Ich fragte mich, ob Jonathan Miriam meine Adresse gegeben hatte. Ich hoffte, nicht. Ich wünschte ihr nichts Böses und hoffte, dass die Arthritis ihr keine allzu großen Schmerzen bereitete, aber ich hatte nicht die Absicht, sie zu besuchen. Und ich wollte keine weiteren Gedichte.
    Ich machte mich wieder an meine Arbeit. Ich hatte einen schwierigen Auftrag bekommen und hatte dafür nur drei Wochen Zeit. Ich musste eine Reihe von ziemlich umfangreichen Handbüchern über die Herstellung eines neuartigen elektrischen Rollstuhls übersetzen, und ich wurde aus den Schaubildern einfach nicht schlau. Normalerweise habe ich nichts gegen lange langweilige Übersetzungen, aber diese eine bereitete mir erhebliche Probleme. Die japanische Vorlage war schlecht geschrieben, und ich musste mich einen ganzen Tag lang in die grundsätzliche Funktionsweise von Rollstühlen vertiefen, um die Bauanleitung überhaupt verstehen zu können. Ich konstruierte mir sogar aus Pappbechern, einer alten Geburtstagskarte und ein paar Zahnstochern ein Rollstuhlmodell. Die Klimaanlage wehte es mehrmals auf den Boden, und schließlich zerknüllte ich es und schmiss es weg. Drei Wochen lang arbeitete ich jeden Tag vom frühen Morgen bis zu dem Augenblick, wo ich wegmusste, um noch den letzten Zug zu erwischen.
    Während dieser Wochen sah ich weder Lily noch Teiji. Teiji hätte ich gern gesehen, aber wenn ich nicht gerade arbeitete, schlief ich. Es fehlte einfach die Zeit. Ich dachte allerdings ständig an ihn, und während ich an der Übersetzung arbeitete, strich ich im Kopf die Tage ab, bis wir

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