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Jones, Susanna

Jones, Susanna

Titel: Jones, Susanna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wo die Erde bebt
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lang in Niigata bleiben, in den Bergen, wenn du möchtest. Du kannst nicht aus Japan wegfahren, ohne vorher irgendwo außerhalb von Tokio gewesen zu sein, und der Pipi-Hügel, auf den wir in Yamanashi gestiegen sind, zählt nicht.»
    «Na, und wann?»
    «In einem Monat. Zu einem verlängerten Wochenende.»
    «Ist es weit?»
    «Ja, ziemlich weit. Deswegen wollen wir ja auch da hin. Es ist weit von Tokio.»
    «Das klingt sehr verlockend. Aber möchtest du denn nicht mit Teiji da hin?» «Ich weiß nicht.» Ich wusste es wirklich nicht. «Ich kann ihn mir außerhalb von Tokio gar nicht vorstellen, aber es könnte sein, dass er Lust hat. Egal, wie steht's mit dir?»
    «Ich glaube, ich würde gern da hin. Ja, ich denke schon.»
    «Dann also abgemacht. Sämtliche Abreisepläne werden um wenigstens einen Monat verschoben.»
    Ich legte auf, zufrieden mit mir.
    9
     
    «Teiji, da war was, worauf ich Lust hätte.» Ich drückte auf die Abspieltaste an seinem CD-Player, und es erklang die Musik, die er gern hörte, elektronischer Jazz. «Ich möchte mit dir auf eine Party.»
    Ich machte mir nicht sonderlich viel aus Partys, auch wenn laute Musik und Alkohol durchaus nach meinem Geschmack waren. In meiner Unizeit war ich auf Partys nur gegangen, um Männer zu finden, die betrunken genug sein würden, um mit mir zu schlafen. Der ganze Smalltalk in der Küche und das Schlangestehen vor der Toilette gingen mir auf den Geist. Die Tränen und Szenen der Abgewiesenen, die nutzlose Vergeudung von Energie, langweilten mich. Lucy ging auf Partys mit einem klaren Ziel. Es war ganz einfach. Entweder es klappte, oder es klappte nicht, und wenn's nicht klappte, versuchte man es eben das nächste Mal wieder. Meine Einstellung hatte sich seither nicht geändert, und ich hatte nie sonderlich Lust verspürt, in Tokio auf Partys zu gehen, aber ich dachte, dass Teiji vielleicht gern auf eine gegangen wäre. Mit Sachi hatte er ja ganze Nächte auf Partys zugebracht.
    Teiji stand an der Spüle und wusch seine einzige Tasse ab. Sie war hellgrün und angeschlagen. Er spülte sie sorgfältig aus und drehte sich nach mir um, die Tasse in beiden Händen, als wäre sie eine Kostbarkeit.
    «Oder in einen Club?» Ich machte mich allmählich selbst nervös.
    «Wenn du willst. Wir könnten heute Abend in einen Club. An was hattest du denn so gedacht?»
    «Ich weiß nicht.»
    Er lachte. «Du solltest dir schon überlegen, wohin du möchtest, bevor du vorschlägst, da hinzugehen.»
    «Ich dachte ... Wo du früher immer hingegangen bist.»
    Er seufzte, nahm ein Geschirrtuch und fing an, die Tasse abzutrocknen. Einen Moment lang sagte er nichts, dann kam er zu mir herüber an den CD-Player, wo ich noch immer auf dem Boden kniete.
    «Mit Sachi. Ich weiß. Ich will da nicht wieder hin. Sie ist nicht mehr da, und es wäre ein merkwürdiges Gefühl. Wie auch immer, ich will's nicht. Wenn du ausgehen möchtest, dann habe ich eine Idee. Ich kenne einen neuen Jazz-Club, nicht besonders weit von hier. Einer unserer Gäste geht da immer hin. Er sagt, er ist klein und gemütlich, nicht ganz das Übliche.»
    «Du hast nie was davon erzählt.»
    «Ich hab erst vor ein paar Tagen davon gehört. Ich wusste nicht, dass es dich interessieren würde.»
    «Tut es aber. Klingt gut.»
    Es war das erste Mal, dass Teiji und ich uns richtig vornahmen, zusammen irgendwohin zu gehen, und ich kam mir vor, als hätten wir ein Rendezvous. Ich trage kein Make-up, und ich habe keine hübschen Kleider, aber bevor wir gingen, sah ich kurz in den Spiegel, strich mir das Haar glatt und zwinkerte meinem Spiegelbild neckisch-verrucht zu.
    Es spielte keine Rolle, wie wir aussahen. Im Lokal war es so dunkel, dass wir, sobald wir uns gesetzt hatten, die anderen Tische noch gerade eben erahnen konnten. Die Wände versanken in blauschwarzen Schatten, und obwohl der Raum klein war, konnte man kaum erkennen, wo er endete. Klavier und Sax spielten in einem trüben, staubigen Licht. Obwohl der Abstand zwischen ihnen und uns nicht mehr als ein paar Meter betragen haben kann, wirkten sie aufgrund des Lichts wie weit von uns entfernt. Ihre Musik war melancholisch und einschmeichelnd. Sie wärmte mich wie ein heißer Grog, versetzte mich in die Stimmung, in der mein Gesicht zu lächeln anfängt, noch ehe mir bewusst wird, dass ich glücklich bin.
    Teijis Haut schimmerte im Licht unserer winzigen Kerze wie eine abtauende Eisfläche, und ich erinnerte mich an unsere erste Begegnung, als er wie Wasser ausgesehen

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