Jones, Susanna
hatte. Der bloße Gedanke machte mich so an, dass es mich heftig überrieselte. Teiji, meine lebende Eisstatue. Ich nahm einen Schluck von meinem Gin und kostete den Geschmack aus, das Gefühl des Glasstiels zwischen meinen Fingern. Meine andere Hand tauchte unter den Tisch, strich über Teijis Hose. Ich spürte, wie er hart wurde. Ich rieb sanft und nahm einen weiteren Schluck Gin. Teiji neigte den Kopf mit einem schiefen Lächeln zu mir herüber, streifte mit seinen Lippen mein Gesicht und küsste mich auf die Wange. Er schob die Fingerspitzen in meine Jeans, in mich hinein, dass ich scharf über die Zunge einatmete, und dann küssten wir uns, ließen uns von unseren Polsterstühlen auf den dunklen Fußboden gleiten, wo Teiji sich auf den Rücken legte und mir einladend die Arme entgegenstreckte, und ich vögelte ihn. Mein letzter Rest Gin ergoss sich auf sein Gesicht, und ich leckte ihn ab, während das Saxophon mir klagend in den Ohren lag. Niemand bemerkte uns in unserer dunklen Ecke oder hielt es für nötig, uns zu stoppen. Es kommt mir fast so vor, als wäre es so gedacht gewesen, als wäre das der einzige Zweck der Dunkelheit, der unsichtbar bleibenden Kellner gewesen. Ich geb's zu, halb hoffte ich, man würde uns ertappen. Ich wünschte mir, die ganze Welt wüsste, dass Teiji mir gehörte.
Es gelingt mir noch immer nicht, im Kopf Teijis Stimme klar zu hören, deswegen habe ich seine Äußerungen nur annäherungsweise rekonstruiert, aber es gibt Worte, die unvergesslich bleiben, weil sie sich, einmal ausgesprochen, so deutlich, so viele Male wiederholen. Am nächsten Morgen sagte Teiji etwas mit einer solchen Klarheit, dass ich es nicht mehr aus meinem Gedächtnis löschen kann. Als ich aufwachte, lag er neben mir und betrachtete mich. Die Kamera war nicht in Sicht.
«Du bist ein wenig eigenartig», sagte er.
Sagte er das auf Englisch oder auf Japanisch? Wenn es Englisch war, dann brauchte man «eigenartig» nicht unbedingt negativ zu verstehen. In einer individualistischen Gesellschaft könnte es sogar als Kompliment aufgefasst werden. Aber falls er auf Japanisch mit mir sprach, muss er mich als hen bezeichnet haben, was nicht besonders nett ist. Englisch oder Japanisch. Je mehr ich darüber nachdenke, desto weniger erinnere ich mich. Und die Vorstellung, man könne lediglich ein wenig eigenartig sein, erschien mir durchaus anfechtbar. Schließlich ist man entweder eigenartig, oder man ist es nicht. Sein Gesichtsausdruck hatte mich beunruhigt. Er sah nervös aus, vielleicht sogar ängstlich. Ich hatte keine Antwort parat, weder in der einen noch in der anderen Sprache.
Dass sie eigenartig sei, hatte Lucy, seit sie ungefähr fünf war, ständig zu hören bekommen. Eigenartig zu sein war für Lucy normal, und so hatte sie keinen Begriff davon, was Eigenartigkeit war oder inwiefern sie diese Eigenschaft besaß. Aber an dem Morgen begriff sie, dass sie Teiji verlieren würde. An seinem Ausdruck erkannte sie, dass er sich ihr nicht so nah fühlte, wie sie immer geglaubt hatte. Sie versuchte nicht, ihm zu widersprechen oder seine Behauptung zu widerlegen. Ebenso wenig fragte sie ihn, wie er das eigentlich meine. Man hätte einwenden können, dass Teiji selbst ziemlich unkonventionell war, weil er beispielsweise nachts durch die Gegend lief und Fotos von nichts machte und sie niemandem zeigte, und diesbezüglich besser nicht mit Steinen werfen sollte. Aber in dem Moment
kam Lucy nicht darauf, denn Teiji war einfach Teiji. Es war keine Frage von Normalität oder Eigenartigkeit. Sie hätte loslachen können, um zu sehen, ob er mitlachen würde und alles nur ein Scherz war. Aber es kam ihr nicht wie ein Scherz vor. Sie machte die Augen zu und tat so, als schliefe sie.
Sie ging nach Haus und kam am folgenden Abend nicht zurück, weil sie Angst hatte, dass er nicht da sein würde oder dass er von seinem Balkon aus herunterrufen würde, sie sollte weggehen, weil sie sich da unten zu eigenartig aufführte.
Ich machte meine Pläne für Sado und beschloss, dass ich nach meiner Rückkehr bei Teiji vorbeigehen und versuchen würde, den Schaden, den ich verursacht hatte, wieder zu reparieren. Es gab nämlich einen Grund für Teijis Feststellung. Seine Bemerkung «Du bist ein wenig eigenartig» kam nicht von ungefähr. Er war nicht am frühen Morgen aufgewacht und hatte plötzlich erkannt, dass die Frau neben ihm von einer befremdlichen Originalität war. Lucy hatte diese Bemerkung selbst herausgefordert - durch eine
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