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Jordan, Penny

Jordan, Penny

Titel: Jordan, Penny Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Glut in mir
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nicht arbeitete, streifte sie häufiger als früher durch die Städte, die sie auf ihrem Weg nach Süden durchquerte. Sie betrachtete die Schaufenster und blickte in die Läden, und bald fand sie sogar den Mut, ein Geschäft zu betreten. Die Verkäuferin ließ sich nicht anmerken, ob sie entsetzt über den Zustand ihrer Kleidung war oder sich wunderte, dass sie nicht einmal ihre eigene Größe kannte.
    Rachel legte ihr Geld gut an. Sie wusste genau, wie sie aussehen wollte. Als sie den Laden verließ, entdeckte sie ihr Spiegelbild in einer Fensterscheibe und erschrak heftig. Sie wirkte nicht mehr anders oder arm, sondern sah aus wie alle. Sie starrte an ihren Jeans hinab – die Großmutter war dagegen gewesen, dass Mädchen lange Hosen trugen – und berührte den weichen Stoff ihres T-Shirts. Es war ein schönes Gefühl, zu wissen, dass niemand diese Sachen vor ihr getragen hatte und dass sie einzig und allein ihr gehörten.
    Als sie Oxford erreichte, hörte man Rachel nicht mehr an, dass sie einst einen starken Zigeunerdialekt gesprochen hatte. Auch ihre Ohrringe hatte sie entfernt. Sie war wie die anderen Teenager gekleidet und genoss ihr neues Selbstvertrauen.
    Es war unmittelbar vor Beginn des Herbstsemesters, und noch gehörte die Stadt den Einwohnern und den Touristen – vor allem Amerikanern.
    Schnell fand Rachel eine Stelle in einem Hotel. Doch die Arbeit wurde nicht so gut bezahlt wie auf dem Bauernhof und war anstrengend. Die meisten Zimmermädchen waren Ausländerinnen. Ein irisches Mädchen mit einem so starken Akzent, dass Rachel sie kaum verstand, näherte sich ihr freundlich, und gegen Ende der ersten Woche fühlte sie sich schon wohler.
    Als sie über die niedrigen Löhne klagte, meinte Bernadette lächelnd: „Weshalb machst du es nicht wie ich und arbeitest abends in einem Pub? Bei uns sucht man noch jemanden, ich könnte dich vorstellen.“
    Rachel war einverstanden. Das Hotel gewährte den Zimmermädchen zwar Unterkunft und Verpflegung, aber die Mahlzeiten waren kärglich, und sie war beinahe ständig hungrig.
    Sie erhielt die Stelle in Bernadettes Pub. Der Chef war ein untersetzter fröhlicher Mann Ende vierzig und hatte zwei Töchter, die die Universität besuchten. Seine Frau behielt die unbekümmerten Mädchen streng im Auge.
    Rachel war glücklicher, als sie es je im Leben gewesen war. Doch als sie Bernadette schüchtern fragte, ob sie wisse, wie man Bücher in einer Bibliothek ausleihen könne, lachte die junge Irin laut auf.
    „Du willst eine Lesekarte haben? Sicher, das ist eine gute Sache. Meiner Ansicht nach kann ein so hübsches Mädchen wie du jedoch alles, was es wissen muss, von den Männern erfahren …“
    Bernadette flirtete gern, das hatte Rachel bald erkannt. Doch erst jetzt merkte sie, wie tief der Graben zwischen ihnen beiden war. Zum ersten Mal hatte sie Heimweh nach ihrem Stamm.
    Als Bernadette sie aufforderte, mit in die Disco zu kommen, lehnte sie ab.
    „Nun, wie du willst … Dann habe ich eben alle Jungen für mich allein.“ Bernadette warf ihr dunkles Haar zurück, und Rachel merkte, dass sie die junge Irin gekränkt hatte.
    Zum Glück besaß Bernadette ein gutmütiges Herz. Am nächsten Morgen war sie freundlich wie immer und erzählte Rachel während der Arbeit von den Jungen, die sie am Vorabend kennengelernt hatte.
    „Halt dich von Nummer zehn fern“, warnte sie Rachel. „Helga – du weißt, das deutsche Mädchen, hat vorhin erzählt, der Mann wäre splitternackt aus dem Badezimmer gekommen und hätte sie gebeten, ihm den Rücken zu schrubben. Ein dreckiger alter Kerl. Er ist mindestens fünfzig und verheiratet. Ich erinnere mich, dass er schon einmal mit seiner Frau hier gewesen ist.“
    Alle Zimmermädchen tratschten. Rachel versuchte, sich zurückzuhalten, denn sie war solche Vertraulichkeiten nicht gewöhnt und konnte die Demütigungen ihrer Schulzeit nicht vergessen. Aber hier war sie kein verachtetes Zigeunermädchen, sondern eine junge Frau von vielen.
    Die Siebzigerjahre waren eine schöne Zeit für die Jugend. Die Welt war voller Optimismus, und die jungen Leute wurden von allen verhätschelt und verwöhnt. Jung zu sein bedeutete, die Welt in Händen zu tragen.
    Rachel lernte ständig neue junge Menschen kennen, die wie sie die Freiheit genossen, aber im Gegensatz zu ihr schon die ganze Welt bereist hatten. In ausgebleichten Jeans und mit dem Rucksack auf dem Rücken kamen sie in den Pub, die Männer dünn und bärtig, ihre Freundinnen langhaarig

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