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Jorina – Die Jade-Hexe

Jorina – Die Jade-Hexe

Titel: Jorina – Die Jade-Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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Märchen. Ich weiß nicht, was Ihr von mir wollt...«
    Eine tödliche Mischung aus Erschöpfung und Furcht hatte sich wie ein Bleigewicht auf ihre Schultern gesenkt. Sie musste ihre ganze Willenskraft aufbieten, damit Paskal Cocherel nichts von der lähmenden Schwäche merkte, die sie umfing. Sie kämpfte nicht nur für sich selbst! Sie war der einzige Mensch auf dieser Erde, der in dieser Burg etwas für Raoul de Nadier tun konnte. Wenn sie versagte, bedeutete das seinen sicheren Tod!
    Der Söldnerführer starrte in das schmale, anmutige Gesicht, das nicht einmal von den Spuren jenes brutalen Faustschlages verunstaltet wurde. Sie musste Angst haben, aber sie ließ sich nichts anmerken. Mit einem Mal hatte er das Gerede satt.
    »Wo ist der Edelstein, den sie dir gegeben hat!« fuhr er sie brüsk an. »Du warst eine jener Novizinnen, die sie in die Krypta bat und die danach verschwanden! Du hast dich unter die Mägde gemischt, die die Verwundeten in Auray versorgten, und danach hast du einem von ihnen zur Flucht verholfen, damit er nicht nach Rennes gebracht wurde! Einem ganz besonderen Seigneur!«
    Diesmal sah er den Schrecken in ihren hellen Augen aufblitzen. Er studierte die makellosen Züge, die ihm anfangs so reglos und hochnäsig vorgekommen waren und in denen er plötzlich unerwartet lebhafte Gefühle entdeckte. Immerhin war sie keine dumme Gans, die drauflosplapperte. Sie zog ihre Schlüsse aus seinen Worten, und versuchte in ihrem verschlagenen kleinen Kopf einen Ausweg zu finden.
    Neben seiner Wut und der sicheren Überzeugung, dass er sie früher oder später bezwingen würde, empfand er plötzlich auch Neugier, Lüsternheit, Erheiterung. Es machte mehr Vergnügen, eine Frau zu quälen, die sich wehrte, als jene wohlerzogenen, langweiligen Heulsusen.
    »Es war ein selbstverständlicher Akt christlicher Nächstenliebe, den Seigneur zu retten«, erwiderte Jorina schließlich. »Er hatte Wundfieber. Ohne Pflege wäre er auf dem Transport nach Rennes verstorben, er lag auf Leben und Tod! Die Schlacht hat schon genügend Opfer gefordert.«
    Die ›christliche Nächstenliebe‹ entlockte dem Herzog ein verächtliches Schnauben, und Jorina umklammerte die Tischplatte unwillkürlich fester! Sie spürte seinen Zorn, seine Ungeduld und die grausame Gleichgültigkeit, mit der er seine Umwelt terrorisierte, wenn ihm der Sinn danach stand. Wenn sie doch nur nicht so schrecklich müde gewesen wäre!
    »Keine Spielchen, Dirne!« knurrte er bösartig. »Über deine Vorliebe für Messire de Nadier sprechen wir später. Jetzt möchte ich wissen, wo sich dieser Stein befindet. Wo hast du ihn versteckt?«
    Jorina hielt dem kalten Blick stand, aber ihr Magen wurde von einer Welle der Übelkeit heimgesucht. Er wusste alles! Heilige Anna, was sollte sie tun?
    »Denk nach, Jorina! Behalte die Nerven, lass dich nicht einschüchtern!« mahnte ihre innere Stimme, und Jorina vermochte plötzlich wieder vorsichtig zu atmen. Seine Männer hatten sie auf der Lichtung bei der zerstörten Hütte ihrer Mutter gefangen genommen. Selbst wenn sie dort keinen Erdkrümel auf dem anderen gelassen hatten, mehr als alte Wurzeln und die traurigen Reste eines armen Haushaltes würden sie nicht gefunden haben. Das geheime Versteck des kostbaren Jadesteines kannte nur sie selbst. Von ihrer Zuflucht an der Quelle wusste nur noch Raoul, und er wiederum hatte keine Ahnung von dem Stein.
    »Ihr täuscht Euch. Ich besitze nichts«, entgegnete sie leise. »Ihr habt meine Kleider durchsucht, und Eure Magd hat mich durchsucht. Ihr wisst sehr wohl, dass ich nicht mehr bei mir trug als die schäbigen Lumpen eines alten Gewandes. Ich begreife nicht, was Ihr von mir wollt!«
    »Die Wahrheit, Dirne!« schnaubte er. »Du hast diesen Stein versteckt, weil dir dein schlaues kleines Gehirn gesagt hat, dass du nur Verdacht erregst, wenn du eine solche Kostbarkeit bei dir trägst.«
    Jorina schüttelte stumm den Kopf. Sie berührte den Samt ihrer weiten Röcke wie etwas Fremdes, Unbekanntes, vor dem es sie plötzlich ekelte. Sie war todmüde, durstig und schrecklich hungrig. Woher sollte sie die Kraft nehmen, gegen diesen abscheulichen Menschen zu kämpfen?
    »Antworte!«
    Sie zuckte vor seinem Gebrüll zurück, aber sie fing sich schnell. »Ich verstehe Euch sehr wohl, Ihr müsst nicht schreien. Doch was soll ich antworten? Ich habe das Kreuz von Ys nie gesehen, und ich kenne die Sterne von Armor nur vom Hörensagen!«
    Ob Mutter Elissa in einer solchen Notsituation

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