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Jorina – Die Jade-Hexe

Jorina – Die Jade-Hexe

Titel: Jorina – Die Jade-Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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eine Lüge geduldet hätte? Sie bemühte sich, das Zittern zu unterdrücken, das durch ihren Körper lief. Sie ballte die Fäuste, dass sich die Nägel gegen die Handballen drückten, und warf den Kopf in den Nacken. Eine Geste so offener Rebellion, dass der Herzog rot sah.
    »Zum Henker mit dir!« fluchte er wild.
    Er packte den schweren Eichentisch und schob ihn fort, als wäre er nicht mehr als ein Bündel Stroh, das er achtlos zur Seite werfen konnte, dann trat er drohend auf Jorina zu. Sie duckte sich instinktiv, deswegen traf sie der rohe Schlag, der auf ihren Kopf gezielt gewesen war, an der Schulter. Der Hieb schleuderte sie dennoch quer durch den Raum halb auf das Bett, wo sie in einem Gewirr von fliegenden Haaren und blauen Gewandfalten zu liegen kam.
    »Ich gebe dir diese Nacht, um zur Vernunft zu kommen!« rief er wutschnaubend. »Morgen werde ich Mittel und Wege finden, dich zum Sprechen zu bringen, und sei es mithilfe der Folter!«
    Die Tür fiel hallend ins Schloss, und Jorina hörte, wie er den Riegel vorschob. Dann knallten eisenbeschlagene Stiefelabsätze über Steinquadrate davon. Jorina rang zitternd um Atem. In der Nacht, als Edwy getötet wurde, hatte sie gedacht, das Maß an Schrecken und Angst könne von nichts mehr übertroffen werden. In diesem Augenblick begriff sie, dass es erst der Anfang gewesen war.
    In den Mauern der alten, mächtigen Burg, deren Steine die Feuchtigkeit von Jahren ausschwitzten, brach ihr trotz des Eishauches der Wände der Angstschweiß aus. Sie verkrampfte die Hände zum Gebet und fand doch keine Worte. Die heilige Anna war eine fromme Frau, die Großmutter Jesu, von ihr war vermutlich keine Hilfe im Kampf gegen brutale, männliche Gewalt zu erwarten.
    Sie starrte zitternd gegen die weißgekalkten Wände des Gemachs, die neben und über dem Kamin Spuren von Rauch und Ruß trugen. Mit schwerem Herzen versuchte sie, Ordnung in das Erlebte und Gehörte zu bringen. Es konnte keinen Zweifel daran geben, dass Paskal Cocherel in Sainte Anne jede erdenkliche Methode von Marter und Gewalt angewandt hatte, damit er seine Informationen erhielt.
    Jorina begriff resigniert, dass Frömmigkeit nicht gleichbedeutend mit Standhaftigkeit sein musste. Sie wagte auch nicht darüber nachzusinnen, wie es um ihre eigene Leidensfähigkeit bestellt war. Wie viel konnte ein Mensch ertragen, ehe er zusammenbrach?

14. Kapitel
    Das grelle Licht der blakenden Fackel blendete die Augen des Gefangenen. Raoul de Nadier drehte den Kopf zur Seite und verengte die Lider. Er wusste nicht zu sagen, ob er bereits Stunden oder Tage in diesem düsteren, feuchten Loch zugebracht hatte. Er hatte schon nach kurzer Zeit in der stockdunklen, tropfenden, eisigkalten Hölle, in der es nur Ungeziefer und Ratten zur Gesellschaft gab, den Überblick verloren.
    Mit ausgestreckten Armen und schweren Ketten an eiserne Ringe in halber Wandhöhe gefesselt, stand er bis zu den Knöcheln in stinkendem Morast. Solange seine Kräfte noch ausreichten, blieb es ihm erspart, sich die Arme auszurenken. Was jedoch passieren würde, wenn die Schwäche, der Hunger und der Durst ihn besiegten, konnte er sich unschwer ausmalen. Auch sein Besucher fand Gefallen an diesem Gedanken.
    »Welch herzerwärmender Anblick«, verkündete die hämische Stimme des Herzogs von St. Cado. »Ich muss gestehen, es gefällt mir, den hochfahrenden Chevalier de Nadier so zu sehen.«
    »Ich wusste schon immer, dass sich Euer Geschmack an Gewöhnlichkeit mit Eurer Herkunft messen kann«, höhnte Raoul, der sich nicht unterkriegen lassen wollte. Er verbarg sein Erstaunen darüber, dass der Herzog allein erschienen war. Natürlich war das kein Risiko bei einem Mann, der in Ketten hing, aber trotzdem erstaunlich. Ein Hinweis darauf, dass er Dinge von ihm wollte, die seine Männer besser nicht erfuhren?
    Auch die Tatsache, dass Cocherel nicht mit der kurzschwänzigen Lederpeitsche zuschlug, die er in der Rechten schwang, gab Raoul zu denken. Er fand nur eine einzige logische Erklärung dafür: Der andere kannte eine Möglichkeit, ihn noch schmerzhafter zu treffen als mit einem simplen Peitschenhieb.
    St. Cado verzog die schmalen Lippen zu einer Grimasse, und der klotzige Rubin an seinem linken Zeigefinger flammte auf, als er nachdenklich über die grauen Stoppeln an seinem Kinn kratzte. Raoul nahm das Getue mit einem spöttischen Heben der Brauen zur Kenntnis. Er machte sich keine Illusionen über die Ziele dieses Mannes. Doch einen Punkt gab es, der zwischen

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