Jorina – Die Jade-Hexe
Vielleicht das Gefühl, dass sie wenigstens etwas mit ihm verband.
»Na, dann musst du dich nicht sorgen«, stellte Maé in aller Ruhe fest. »Ein Kerl ist wie der andere. Egal ob Herzog, Söldner oder Bauer. Du wirst es schon merken!«
Jorina erschauerte und umkrampfte den Apfel fester. Der Busen hob sich von ihrer Hand, denn oben erhob sich der Herzog. Das Mahl war vorbei.
16. Kapitel
»Zieh dich aus!«
Jorina wich zurück, bis sie die schweren Bohlen der Tür in ihrem Rücken spürte. Keine Möglichkeit zur Flucht! Hinter der Tür war die große Halle voller Menschen, die sie mit größtem Vergnügen aufhalten würden.
»Ich möchte unsere Unterhaltung von gestern Abend fortsetzen, und ich ziehe es vor, wenn du dabei so wenig wie möglich anhast!«
Paskal Cocherel hatte sein Wams abgelegt und trug nur noch ein feines Leinenhemd zu seinen Beinlingen, die von einem breiten Ledergürtel gehalten wurden. Zwischen den halb offenen Bändern sah Jorina angeekelt den blassen, breiten Brustkorb mit einem Gewölle grauer Haare. Wie konnte er annehmen, dass sie jemals freiwillig tat, was er verlangte? Nie und nimmer!
Ihr Herz raste, während er langsam näherkam und im Gehen seinen ledernen Gürtel aufnestelte. Jorina konnte die Augen nicht von seinen Händen nehmen. Grobe Hände mit kleinen Büscheln grauer Haare auf dem Handrücken und braunen Flecken auf der Haut. Mit geradezu krankhafter Faszination registrierte sie die Kraft dieser Hände, ihre kurzen Finger und die abgebrochenen Nägel. Die Hände eines Schlächters.
Zu spät bemerkte sie ihren Fehler. Sie hätte ihm in die Augen sehen sollen, um den Zeitpunkt seines Angriffes erkennen zu können, so aber traf sie der Tritt vor ihr Schienbein völlig unvorbereitet. Sie taumelte, griff nach dem nächstbesten Gegenstand, um nicht zu fallen, und stürzte in einen rohen Griff, der ihr den rechten Arm so brutal auf den Rücken drehte, dass ihr flammender Schmerz durch den ganzen Körper zuckte.
»Was hältst du nun von einem kleinen, liebenswürdigen Kuss?«
Ehe Jorina den Kopf wegdrehen konnte, trafen seine schmalen Lippen auf ihren halb geöffneten Mund, und sie spürte einen rücksichtslosen, groben Biss. Ihr Aufschrei erstickte in seinem heiseren Gelächter. Sie wurde abrupt freigegeben und sank kraftlos auf den weichen orientalischen Teppich, der in diesem Gemach den steinernen Boden bedeckte. Jorina würgte und wischte sich mit dem Handrücken die Lippen ab. Sie sah das Blut auf ihrer Haut und begriff kaum, dass es ihr eigenes war.
Dann jedoch waren es genau diese Blutspuren, die sie aus ihrem Schock rissen und wieder zur Besinnung brachten. Heilige Anna, sie würde sich nicht wie ein armes Opferlamm von diesem Kerl vergewaltigen und quälen lassen. Nicht Jorina, die Tochter von Alaine! Wofür hielt dieser Schurke sie eigentlich?
»Ihr seid ein Schwein!« rief sie mit solch rechtschaffener Empörung, dass pure Verblüffung über sein faltiges Gesicht glitt. »Gibt es denn keinen Funken Anstand in Eurer schwarzen Seele?«
»Was soll das werden?« knurrte der Herzog gereizt und riss sie am Arm nach oben. »Eine Predigt? Willst du mir als Nächstes alle Strafen der Hölle androhen? Du kannst beruhigt sein, das hat deine Äbtissin schon getan, und wie du siehst, geht es mir immer noch hervorragend!«
»Tatsächlich?« Jorina wusste nicht, was sie zu dieser hämischen Nachfrage trieb, aber der jähe Einfall machte sich in ihrem Kopf einfach selbstständig. »Aber Ihr könnt gewiss sein, dass es nicht mehr lange dauert, bis Euch die Strafe für Eure Sünden ereilt. Denkt Ihr, der Himmel sieht ruhig zu, wie Ihr tötet, brandschatzt und vergewaltigt? Gewalt gebiert Gewalt! Auch Eure Taten werden eines Tages Vergeltung finden.«
»Was faselst du eigentlich für närrisches Zeug, Weib!« rief der Herzog, dessen erste Verblüffung nun hellem Zorn wich. »In diesem Land gibt es niemand, der sich mit meiner Macht anlegen würde!«
Jorina verblüffte ihn mit einem feinen Lächeln. Sie wusste nicht, woher sie die Sicherheit nahm, die sie plötzlich erfüllte, aber ihre innere Stimme sagte ihr, dass dieser Mann unter all seiner Brutalität, seiner Machtgier und Rücksichtslosigkeit auch abergläubisch sein musste. Es gab keine andere Möglichkeit, sonst würde er nicht so fanatisch an das Kreuz von Ys und dessen magische Macht glauben. Und genau deswegen lächelte sie ihn triumphierend an und verunsicherte ihn damit mehr als mit jeder Verwünschung.
»Verdammte
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