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Jorina – Die Jade-Hexe

Jorina – Die Jade-Hexe

Titel: Jorina – Die Jade-Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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dass sie keine Möglichkeit bekommen hatte, Jorina auf dieses Gespräch vorzubereiten. Es fehlte ihr erkennbar an Respekt vor dem hohen Herrn!
    »Mein Leben ist nicht wichtig«, sagte Jorina schlicht. »Wesentlich ist nur, was ich von dem Ritter gehört habe, der hingerichtet werden soll. Ihr tut ihm unrecht, Euer Gnaden! Er hat nichts von dem verbrochen, was Ihr ihm vorwerft! Man hat ihm eine Falle gestellt ...«
    »Wie flammend Ihr ihn verteidigt«, entgegnete der Herzog, und es klang sowohl ungeduldig wie eigenartig gereizt. »Was kümmert Euch das Schicksal dieses Mannes, Demoiselle? Euer Los ist es, das mich ...«
    »Sein Schicksal kümmert mich wie das eines jeden Lebewesens, das ungerechtfertigt getötet werden soll!« fiel Jorina dem Herzog streng ins Wort, ohne sich um Höflichkeit oder Etikette zu scheren. Die Oberhofmeisterin zuckte entsetzt vor soviel Ungezogenheit zusammen.
    »Benehmt Euch, Kind!« entrüstete sie sich. »Ihr müsst abwarten, bis Seine Gnaden Euch die Erlaubnis zum Sprechen erteilt!«
    »Laßt nur, Dame Lucille!« winkte der ungeduldige Herzog ab. »Die Jungfer ist keine Hofdame, und ich bin ihr nicht gram. Wir werden einander sicher verstehen. Es ist nicht nötig, dass Ihr uns noch mehr Eurer kostbaren Zeit opfert, meine Liebe. Ich danke Euch für Eure Mühe.«
    »Wie Euer Gnaden wünschen«, schnaubte die gekränkte Oberhofmeisterin. Aber ehe sie das Kabinett verließ, blieb sie vor Jorina stehen und versuchte sie mit einem bedeutungsvollen Blick zu beeinflussen. »Ihr wolltet meine Hilfe, Kind! Aber bedenkt, dass Ihr nicht mit einem Tuchhändler sprecht, sondern mit Seiner Gnaden, dem Herzog der Bretagne! Respekt und Höflichkeit tun not.«
    Jorina gab einen Laut von sich, der bedenkliche Ähnlichkeit mit einem Stöhnen aufwies. Sie hatte niemals gelernt, mit Herzögen zu sprechen, aber ihr gesunder Menschenverstand sagte ihr, dass es eilte. Dass jeder Tag, den Raoul de Nadier im Verlies zubrachte, ein Tag zu viel war. Sollte sie nun Zeit mit Phrasen verschwenden? Warum kam der Herzog nicht endlich zur Sache?
    Sie konnte nicht ahnen, dass Jean de Montfort sie mit einer Mischung aus Verblüffung und steigendem Interesse beobachtete. Die Äbtissin des Annenklosters von Auray hatte offensichtlich die seltene Gabe besessen, höchst ungewöhnliche junge Frauen um sich zu versammeln. Abgesehen von dem verwirrenden Reiz, den das makellose Antlitz mit den silberblauen Augen aufwies, schien diese hier auch noch den Mut eines Kriegers, Unternehmungsgeist und eine viel zu große Portion Eigensinn zu besitzen.
    Jetzt hüllte sie sich gar in herausforderndes Schweigen und musterte ihn unter ihren sittsam gesenkten Wimpern vermutlich ebenso genau wie er sie. Die dunklen Fächerschatten ihrer Lider zitterten auf ihrer makellosen Haut, und der Herzog fragte sich, welche Farbe ihre Haare hatten, die unter der Haube mit der Kinnbinde völlig versteckt blieben. Nur von weißem Leinen umschlossen glich ihr Antlitz dem einer lieblichen, aber starrköpfigen Madonna.
    »Setzt Euch«, begann Jean de Montfort vorsichtig und deutete auf ein gepolstertes Taburett, das in angenehmer Nähe beim Kaminfeuer stand, neben einem Silbertischchen, auf dem sich eine Karaffe mit dunkelrotem Wein und gläserne Pokale befanden. »Legt den Umhang ab und macht es Euch bequem.«
    Jorina setzte sich, aber ihren Umhang behielt sie an. Eine weitere Geste instinktiver Vorsicht, die der Menschenkenner Montfort registrierte. Er blieb mit dem Rücken zum Feuer vor ihr stehen, die eigenen Züge bewusst im Schatten der Flammen.
    »Ich bedauere unendlich, was in Sainte Anne passiert ist«, begann er mit gedämpfter Stimme. »Wie ist es Euch gelungen, diesem Massaker zu entfliehen?«
    Jorina hob die Lider und bedachte den Herzog mit einem vorsichtigen Blick. »Ich konnte rechtzeitig in den Wald verschwinden ...«
    »Ihr müsst Euch schrecklich gefürchtet haben. Eine junge Frau allein am Rande einer schrecklichen Schlacht, nachts im Forst ...«
    »Ich bin im Wald aufgewachsen«, entgegnete sie gelassen. »Der Wald ist mein Freund. Im Wald finde ich mehr Sicherheit als bei den Menschen. Auch Messire Raoul geriet erst wieder in Gefahr, als er den Wald verließ. Werdet Ihr das Todesurteil zurücknehmen?«
    Der direkte Angriff, mit dem sie auf den Kern ihres Anliegens kam, wäre bewundernswert gewesen, hätte er einem besseren Ziel gedient. Der Herzog versuchte seinen Unwillen zu zügeln.
    »Es gibt keinen Grund dafür!«
    »O doch!« Jorina

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