Jorina – Die Jade-Hexe
Gastgeberin schmunzelte und nahm es ihr nicht übel. »Sie sind liebenswürdig, wohlerzogen, aber nicht von dem Aussehen und der Art, die einen gut aussehenden, abenteuerlustigen jungen Ritter zu Dummheiten veranlassen könnte. Sie haben andere Gatten gefunden ...«
»Er wollte Dame Suzelin zur Frau nehmen ...«
»Woher wisst Ihr das?«
»Er hat von ihr gesprochen«, gab Jorina zu.
»Bah«, winkte die Edelfrau ab. »Er kann von Glück sagen, dass er nicht reich genug für dieses ehrgeizige Fräulein war. Ein Mann erfriert an der Seite eines solchen Frauenzimmers. Aber nun zu Eurem Anliegen, Kind. Was habt Ihr mit Raoul de Nadier und seinen Feinden zu schaffen, wenn Ihr bis vor Kurzem im Kloster gelebt habt? Ich möchte doch gerne wissen, wie sich die Fäden zu einem Muster finden.«
Der Vergleich gefiel Jorina, und sie sah die Farben förmlich vor sich. Einen starken Strang glänzender Seide vom Grün der Augen ihres Ritters, jenen roten des schrecklichen Hurenkleides für St. Cado und dann ihren eigenen. Hell, aber nicht mehr vom strahlenden Weiß der Unschuld, hellbraun wie eine schmucklose praktische Hanfschnur, die nur dazu da war, dass nichts verloren ging und alles in seine richtige Ordnung kam.
Sie unterdrückte ihre Trauer und machte sich daran zu erzählen. Das eigene Schicksal erwähnte sie dabei nur am Rande, was konnte es diese hohe Dame schon interessieren, woher sie kam und was sie tat? Bis sie zum Ende kam, waren ihre Kleider bis auf die Säume tatsächlich fast trocken, und ihre Stimme brach vor Heiserkeit.
»Werdet Ihr dem Herzog sagen, wie es wirklich gewesen ist?« flüsterte sie tonlos. »Dame Rose sagt, dass Ihr über großen Einfluss verfügt.«
»Soweit es die Haushaltsdinge des Herzogs und seiner Gemahlin betraf, war das sicher der Fall«, schränkte Dame Lucille ein. »Aber wenn es um die Belange von Politik und Ehre geht, hat eine Frau ohnehin wenig zu sagen! Auch eine Frau von nobler Geburt.«
»Er muss Euch anhören!« forderte Jorina.
»Ich werde mein Möglichstes tun«, versprach die Oberhofmeisterin. »Schon um Raoul de Nadiers willen, darauf könnt Ihr Euch verlassen! Und nun werde ich dafür sorgen, dass man Euch einen trockenen Umhang bringt, damit Ihr auf dem Heimweg nicht frieren müsst. Und was die energische Dame Rose anbetrifft, ich denke, es ist besser, Ihr sagt ihr, dass ich Euch gebeten habe, mich zu begleiten, um dieses Farbmuster dort wieder mitzunehmen. Sie ist keine Hausfrau, die es duldet, dass man ihr einfach ohne einen triftigen Grund davonläuft.«
Jorina nahm sowohl den Umhang wie auch die Ausrede mit Dank entgegen.
»Werdet Ihr mir Nachricht geben, ob Ihr Erfolg hattet?« wagte sie zu bitten.
Lucille de Tréboule betrachtete sie mit gerunzelter Stirn. Sie sah wesentlich mehr hinter dieser Bitte, als Jorina lieb sein mochte. Sie war es gewöhnt, dass sich die Edeldamen das Herz schwer machten, wenn es um Raoul de Nadier ging.
Freilich, wie auch immer sein Schicksal sich wendete, eine kleine Novizin, die Ziehtochter eines Tuchhändlers, würde künftig keinen Anteil daran haben, auch wenn sie noch so bezaubernd aussah. Je eher Jorina sich damit abfand, um so besser würde es für ihren Seelenfrieden sein.
»Ihr werdet es hören, Kind. Wenn der Herzog Raoul de Nadier wirklich begnadigt, wird es das Stadtgespräch sein. Gott behüte Euch und helfe Euch zu vergessen. Dame Rose kann glücklich sein, eine so liebenswürdige Ziehtochter gefunden zu haben.«
Hinter der mütterlichen Höflichkeit dieser Auskunft hörte Jorina noch etwas anderes. Etwas in der Art von: »Mach dir keine falschen Hoffnungen, Jorina! Du magst das Deine dazu beitragen, dass er gerettet wird, aber erwarte dir keinen Dank von ihm dafür.«
Sie senkte ergeben den Kopf und akzeptierte auch dies. Sie hatte schließlich nie etwas anderes erwartet. Das Hanfschnürchen passte nicht zu Seide ...
23. Kapitel
Die Waffenröcke der Männer trugen das aufgestickte Wappen Jean de Monforts, und ihr Hauptmann pochte mit gepanzerter Faust gegen die Türe des Tuchhändlers.
»Öffnet, im Namen des Herzogs!«
»Gütiger Himmel, was ist geschehen?«
»Maître Joseph kam mit zitternden Händen dem Befehl nach, und Dame Rose flatterte voller Aufregung aus der Küche in den Laden. Sie rang besorgt die mehlbestäubten Hände, denn sie hatte eben die Gewichte für die neuen Brotlaibe abgemessen.
»Wohnt in Eurem Hause eine Jungfer namens Jorina?« schnarrte der Hauptmann, nachdem seine Männer mit
Weitere Kostenlose Bücher