Joschka, die siebte Kavallerie
nicht? Ihr seid nur noch unsichtbar wild. Ja, unsichtbar, hört ihr! Ihr lauft unter Tarnkappen rum und ihr pisst euch dabei noch ins Hemd!“
„Ich ha-hab dich gewarnt!“, Deniz sprang auf. Er versuchte dasselbe wie Rocce. Er hob die Faust gegen mein Kinn. Aber genauso wie Rocce rutschte er über den schleimigen Boden und pflatschte flach aufs Gesicht.
„Seht ihr! Genau das hab ich gesagt! Ihr wollt es nicht hören! Aber ich habe Recht. Wieso sonst braucht ihr Trikots, um heute zu siegen? Ist denn nur das schwarze Trikothemd wild? Oder seid ihr es selbst? Ich meine hier oben, in eurem Kopf, und hier ganz tief in euch drin: in euren Herzen?“
Jetzt horchten die anderen auf. Endlich kapierten sie, was ich ihnen erzählte.
„Gut. Das wurde aber auch Zeit. Die Halbzeitpause ist schon fast vorbei! Los, Marlon, hol deinen schwarzen Edding heraus! Den für die wilden Tattoos. Ja, und Vanessa, du kannst uns doch mit Sicherheit schminken?“
„Hast du ’n Knall?“, fuhr mir die Unerschrockene über den Mund, doch ich lachte sie an.
„Verflixt! Jetzt tu doch nicht so. Ich red nicht von Lippenstift. Ich meine den Schlamm. Los! Fangt endlich an!“
Ich musterte Rocce und Deniz. Der Schlamm verklebte ihre Haare und ihr Gesicht. Sie sahen fürchterlich aus. „Ja, so ist es gut!“, rief ich begeistert. „Jetzt zeigen wir uns. Jetzt zeigen wir uns so, wie wir sind!“
Kannibalistisch-touristische Vodoomacht
Die Spieler und Eltern des SV 1906 schauten uns an, als wären wir eine Invasion. Doch dieses Mal kamen wir nicht aus dem Kinderunterwäsche-Geschäft. Wir kamen von dort, wohin sie uns vor der Pause geschickt hatten: aus der neunundneunzigsten Hölle. Ihrem Trainer fiel die Schiedsrichterpfeife aus seinem Metallpressen-Mund.
„Was um alles in der Welt ist das?“, piepste er wie ein Meerschweinchen, das sich im Stimmbruch befindet, und wich ein paar Schritte vor uns zurück.
Vor der wilden Wand. Schulter an Schulter kamen wir auf den Platz. Schlamm verklebte unsere Haare und unsere Gesichter. Mit Schlamm hatten wir die Kriegsbemalung auf unsere Arme und Beine gemalt. Auf unseren Rücken standen unsere Nummern und Namen. Die hatte Marlon uns mit seinem fetten, schwarzen Edding auf die Haut tätowiert. Ja, und den Wilden Kerl auf die Brust. Den Wilden Kerl über gekreuzten Seeräuberknochen.
„Alles ist gut!“, erhob ich die Stimme.
Ich ging direkt in der Mitte der Wand. Zwischen Leon, Vanessa, Marlon und Fabi.
„Solange du wild bist!“, antworteten die Wilden Fußballkerle.
Ihre Stimmen waren düster und kalt.
„Sei wild!“, forderte ich und die anderen folgten mir wie ein pechschwarzes Echo:
„Ja! Gefährlich und wild!“, raunten sie und immer noch waren unsere Stimmen ganz leise.
„Eins! Zwei! Drei!“, zählte ich und dann brüllten wir alle zusammen ein gewaltiges und ohrenbetäubendes „RAAH!“.
Die Spieler des SV 1906 zuckten zusammen. Ihr Spott aus der ersten Halbzeit wich blanker Angst und genauso erging es Wilson Gonzales. Der blasse Vampir saß gerade noch auf dem Skateboard. Er rollte lässig vor und zurück. Er hatte den Sieg in der Tasche. Doch jetzt sprang er auf. Neben Pickels und Sexy James stand er zwischen den Kreuzen und starrte vom Hügel auf uns herab.
Der Rest war ein Kinderspiel. Marlons Pass in den Raum war ein Alptraumpass für den Gegner. Er landete direkt auf Rocces Zaubererfuß. Das Leder klebte auf seinem Spann und mit dem lupfte er es über die Verteidiger hinweg in Leons Torpedotauchflugkopfballbahn. Der Torjäger schoss wie eine Rakete haarscharf über den Boden und rammte die Kugel ins Netz. Das zweite Tor war ein Trippel-M.S. GTI Wild von Maxi „Tippkick“ Maximilian. Aus 25 Metern donnerte er seinen Mega-Mörser-Monster-Freistoß auf den Kasten des SV 1906 und versenkte ihren Keeper gleich mit. Jojo, der mit der Sonne tanzt, tanzte diesmal im Regen. Wie ein aus der Flasche befreiter Derwisch sprang er durch die Reihen der Gegner hindurch und schloss lachend und gnadenlos ab. Fabis hasta-la-vista-bombastischer Turbo-Dampfhammer-Volley aus dem spitzesten und unmöglichsten Torauslinienwinkel war die Numero Vier. Die Fünf erzielte dann wieder Leon. Felix, der Wirbelwind, flankte von links, und der Slalomdribbler nahm mit dem linken Bein Schwung. Er sprang in die Luft, schraubte sich Richtung Sturmwolken hoch, nahm mit dem rechten Fuß Maß und schoss das Leder in einem Weltklasse-Salto-Mortale-Fallrückzieher ins rechte Kreuzeck hinein. Die Sechs
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