Joschka, die siebte Kavallerie
danach ging natürlich sofort verloren. Wir schauten dem Spiel nur noch zu. Wir krochen unter der Grasnarbe rum und beteten, dass uns keiner sah. Selbst Willi verstummte, und als uns der Halbzeitpfiff endlich erlöste, wehten auf dem Hügel sieben schwarze Fahnen an sieben schwarzen Kreuzen im Wind.
Das hieß dunkel und düster: Es stand sieben zu null. Sieben zu null gegen uns. Katastouristische Höllenschlund-Achterbahnfahrt! Und wir wollten Meister werden. Wir waren heute der haushohe Favorit.
Unsichtbar wild
In der Kabine tropfte das Wasser von unseren Körpern auf den Boden herab und vermischte sich dort mit den Gras- und Lehmklumpen zu einem breiigen Schlamm. Der Gestank stand jetzt als dichter Nebel im Raum und darin hockten wir auf den Bänken. Stumm. Absolut stumm. Man konnte uns weder sehen, noch hören. Nur Willi lief auf und ab und presste und wrang das Wasser aus seiner Baseballkappe heraus.
„Verfluchte Hacke!“, zischte er immer wieder verzweifelt. „Verfluchte und kreuzgepunktete Streifenhacke!“
Aber Willi konnte uns diesmal nicht helfen. Dieses Spiel verloren wir nicht gegen den SV 1906 . Dieses Spiel verloren wir gegen Wilson Gonzales, und der hatte uns wie Staraja Riba erwischt. Nicht umsonst prangte das Tattoo ihres Namens auf seinem Oberarm. Er hatte uns da erwischt, wo wir am verwundbarsten waren. Bei unserer heimlichen Schwäche. Ja, ganz tief, im Innersten unseres Herzens, fühlten wir uns alle noch klein. Da waren wir alle noch Kinder, und davor hatten wir Angst. Eine heimliche Angst, und die machte uns blind. Wir sahen uns nicht mehr so, wie wir waren. Wir sahen uns nicht mehr als gefährlich und wild. Nein, wir sahen uns durch die Augen von Wilson „Gonzo“ Gonzales und durch seine Brille mit unbarmherzigem, eisigem Spott. Ja, und deshalb schämten wir uns. Wir fühlten uns erbärmlich und schwach, so wie eine abgewatschte Kindergartenmannschaft in durchnässten Schlüpfern.
„Extra-touristische Tellergans!“, rief ich und sprang von der Bank. „Verflixt! Kapiert ihr das nicht? Wir müssen uns gar nicht schämen. Die nehmen uns ernst.“
Die anderen Wilden Fußballkerle schauten mich an, als hätte ich nicht mehr alle Speichen im Rad.
„Halt du deinen Mund!“, fauchte Juli. „Du bist an allem schuld!“
„Beim Santa Panther im Raubkatzenhimmel!“, fluchte Rocce, der Zauberer. „Juli hat Recht. Und dafür hasse ich dich!“
Rocce sprang auf. Er stürzte sich auf mich. Seine Faust zielte direkt auf mein Kinn.
„Joschka! Ich hasse dich!“, schrie er noch mal.
Da rutschte er auf dem Schlammboden aus und klatschte auf den Po.
„Ach, was du nicht sagst!“, spottete ich.
„Verschleimter Alligatorenrotz!“, zischte Rocce und blitzte mich an. „Das wirst du büßen!“
Er stand wieder auf. Zumindest wollte er das. Er stemmte Hände und Beine gegen den Boden. Er stieß sich vom Schlammboden ab.
,Jetzt wird er mich töten!‘, dachte ich nur.
Da verdrehten sich seine Beine wie die einer Kuh, die Eiskunstlauf fahren will, über Kreuz zum Spagat und er fiel der Länge nach datsch-blatsch in den breiigen Dreck.
„Bist du jetzt fertig?“, fragte ich ihn und spürte die Wut. Es war eine gute, kräftige Wut. Sie schmeckte wie Hühnerbrühe bei Grippe im Winter, und mit dieser Wut schaute ich, der Kleinste von allen, auf die Wilden Kerle hinab.
„Darf ich jetzt auch mal was sagen?“, fauchte ich wie ein hungriger Bär. „Beim exorbi-touristischen Geistesblitz! Warum, glaubt ihr eigentlich, hat uns der blasse Vampir die Trikots geklaut? He! Klickt und klackert es jetzt? Habt ihr es endlich geschnallt? Oder habt ihr mit eurem Mumm auch euren Verstand rausgeheult?“
„Ich war-harne dich, Jo-ha-hoschka!“, drohte Deniz, der Türke. „Noch ein fa-halsches Wort!“
Doch ich ignorierte ihn einfach.
„Schade. Dann muss ich es euch wohl verraten. Wilson „Gonzo“ Gonzales hat uns die Trikots geklaut, weil wir keine Kindergartengang sind. Nein, er nimmt uns ernst. Er fürchtet sich sogar vor uns. Seit dem Tag in der Nebelburg, als ich ihm den Kampf angesagt habe, seitdem fürchtet er uns, und das mit den Trikots ist nur ein billiger Trick. So etwas wie eine sugtouristische Hypnosition! Ihr wisst schon, ich rede von der Schlange Ka mit ihren spiral-kreiselnden Augen. Er versucht es uns einzuflößen. Er will, dass wir ’s glauben, und ihr, verflixt, ihr fallt noch darauf rein. Ich kann es nicht fassen. Und wisst ihr warum? Weil ihr Angsthasen seid. Merkt ihr das
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