Josef und Li: Roman (German Edition)
würde.
»Wo isser denn?«, flüsterte Josef voller Befürchtungen, als er sich im Vorraum die Schuhe auszog.
»In der Arbeit«, sagte Helena, »kommt spät heim, wegen ’ner Sitzung.«
Josef stellte sich kurz einen bissigen Hund vor, der in einer Sitzung saß, und musste lachen.
»Warum lachst du denn? Da gibt’s gar nichts zum Lachen! Sie ist fast nie zu Hause«, sagte Helena pikiert und Josef begriff, dass Helena nicht von einem Hund sprach, sondern von Frau Bajerová, und dass der bissige Hund am ehesten ein Pudel war, der am Tisch saß und so tat, als ob er seine Hausaufgaben schriebe.
»Das ist Fiffi.« Helena stellte ihm ihren Hund vor und Josef hatte das Gefühl, Fiffi würde ihm die Zunge rausstrecken. Und dann stellte sie ihm noch die Katze Mieze, den Otter aus Ottawa und den Tiger Lubomír vor, der gerade aus der Schublade hervorgekrochen kam und in seiner Pfote ein Päckchen Cracker hielt. Überhaupt benahmen sich all die Tiere – damit es klar ist, gar keine echten Tiere, sondern aus Plüsch, einige schon sehr abgenutzt, andere fast neu, wie zum Beispiel der Eselo aus Oslo, den die Mutter Helena unlängst von einer Dienstreise aus Norwegen mitgebracht hatte – etwas unziemlich, weshalb Helena kurz mit ihnen schimpfte, aber nicht allzu grob.
»Ich mach uns einen Tee, willst du?«, fragte sie und Josef nickte. Helena bewegte sich in der Küche wie eine erfahrene Hausfrau.
»Möchtest du ein Stück Gugelhupf? Ich hab ihn gestern gebacken«, sagte Helena und entfernte rasch die Plastikverpackung, auf der stand, dass den Gugelhupf jemand völlig anderes gebacken hatte. Und Josef tat so, als ob er es nicht gesehen hätte, und sagte, er würde gern ein Stück nehmen. Helena schenkte Tee in Tassen aus dünnem Porzellan ein, legte zwei Stück Kuchen auf Teller und trug alles ins Wohnzimmer, wo sie das Licht ausmachte und sagte, sie würden jetzt ein Plauderstündchen einlegen.
Als Máchal, Hnízdil und Šíša sahen, wie in der Wohnung im ersten Stock das Licht ausging, stellten sie sich weiß Gott was vor und wurden von einer ungeheuren Wut gepackt.
»Am liebsten würd’ ich rein und …« Hnízdil sprach nicht zu Ende, stattdessen machte er eine Drohgebärde zum Himmel,
mit der er andeutete, was er mit Josef am liebsten anstellen würde.
»Ich auch …«, sagte Máchal.
»Ich auch«, sagte auch Šíša, doch es klang nicht gerade überzeugend. Als Einziger von ihnen hatte er überhaupt keine Lust, mit Helena Ticktacktoe bei völliger Dunkelheit zu spielen. Šíša stellte sich nämlich vor, dass Helena und Josef Ticktacktoe spielten, während Máchal und Hnízdil sich vorstellten, dass sie einander Küsse gaben.
Doch weder das eine noch das andere war der Fall – Josef hätte sicher gerne Ticktacktoe gespielt und Helena wäre gerne von Josef geküsst worden, doch stattdessen saßen sie nur da, tranken Tee und aßen Gugelhupf. Josef blickte von Zeit zu Zeit unauffällig auf seine Uhr, um zu sehen, wann der kleine Zeiger endlich zur Sieben wanderte, da musste er nämlich unbedingt zu Hause sein. Doch er hatte noch genügend Zeit, denn der kleine Zeiger war ein sehr langsamer Zeiger. Sie saßen wohl schon eine gute halbe Stunde so da, und immer noch klapperten ihre Zähne vor Kälte, weshalb Helena die Musik anmachte und sagte, das Beste wäre jetzt, zu tanzen – um sich aufzuwärmen.
Unmittelbar darauf sahen Máchal, Hnízdil und Šíša, wie sich Helena und Josef in den Armen lagen und sich über den Wohnzimmerboden hin und her wiegten.
»Das werd’ ich diesem Schuft nicht durchgehen lassen! Der wird noch sein blaues Wunder erleben!«, sagte Máchal und ging in die Telefonzelle, die sich direkt gegenüber vom Haus mit der dunkelroten Fassade befand. Hnízdil und Šíša hatten keinen Schimmer, was Máchal vorhatte, aber seinem
Gesichtsausdruck nach zu schließen musste es etwas Furchtbares sein.
Josef und Helena umrundeten ungefähr zum millionsten Mal das Zimmer und Josef hatte den Eindruck, dass das Leiden niemals ein Ende haben würde. Doch dann läutete das Telefon.
»Ist dort Helenka Bajerová? Guten Abend, ich hoffe, ich störe nicht. Ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen, dass sich in Ihrer Nähe ein Mensch aufhält, der schuftige Sachen macht und geklaute Ringe verschenkt …«, sagte Máchal mit verstellter Stimme ins Telefon und schaute die Jungs an, wie sie reagieren würden. Hnízdil nickte erkennbar und Šíša glotzte nur.
»Er gibt sie als echte aus, doch es sind
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