Josef und Li: Roman (German Edition)
ins Krankehaus.« Und dann folgte er seiner Frau in die Küche, um ihr mit den Chilischoten zu helfen.
Li hatte ein Loch in der Seele. Wie aus einem platten Reifen, so entwich aus Lis Seele die Luft. Oder besser gesagt die Lebenslust.
Josef wälzte sich im Bett und dachte nach, wie man Lis Reifen, das heißt also ihre Seele reparieren könnte. Aber ihm fiel nichts ein außer dem Papagei. Er war wohl die allerbeste Medizin.
In der Nacht wälzten sich noch andere in ihren Betten hin und her. Zum Beispiel Tuong. Und Marta. Es ist schon seltsam, wie sich Erwachsene für nichts und wieder nichts ihr Leben schwermachen können.
Statt sich zu freuen, dass sie nicht mehr in die Schule gehen müssen, dass sie schlafen gehen können, wann immer sie möchten, und sich für das Geld, von dem sie meistens viel mehr haben als ihre Kinder, kaufen können, was ihnen in den Sinn kommt, machen sie sich das Leben zur Hölle. So zum Beispiel Marta.
So hatte es schon ausgereicht, dass Tuong ein einziges Mal nicht zum Stelldichein in den Park gekommen war, damit sie sich wie bestellt und nicht abgeholt vorkam und einen Ast abfror, um gleich zu Hause das Hochzeitskleid in lauter winzige Stofffetzen zu zerschneiden, die jetzt höchstens noch als Brillenputztücher zu verwenden waren. Und dabei hatte Tuong sie gar nicht vergessen, wie sie vermutete. Und er hatte sich weder mit Reiswein betrunken, noch sah er sich die Übertragung des Turniers im Kampfsport im Fernsehen an, und er hatte sich schon gar nicht mit der koreanischen Buchhalterin Antje (Anh-Che!) verquatscht. Zum einen sprach er kein Wort Koreanisch, und zum anderen hatte Anh-Che an dem Tag frei.
Selbstverständlich wollte Tuong sich entschuldigen, dass er zu spät zur Verabredung gekommen war, aber Marta ließ sich nirgendwo blicken.
»Nie im Leben werde ich wieder mit ihm sprechen! Ich will ihn auch nie wieder sehen!«, regte sie sich auf, als sie gerade eine Gardine an Vendulas Fenster befestigte – ihren ehemaligen Hochzeitsschleier. Und während Tuong alle zehn Minuten anrief und an der Tür klingelte, mussten Herr Klička und Frau Kličková ihm immer wieder ausrichten, dass Marti für ihn ganz bestimmt nicht zu sprechen sei.
Aber wenn ihn Marta angehört hätte, würde sie sich bestimmt nicht mehr über ihn ärgern und würde sogar mein Seepferdchen zu ihm sagen, wie sie es in besonders liebevollen Momenten zu sagen pflegte. Und dann hätte sie ihm noch einen Kuss gegeben und ihm einen Kaffee gekocht.
Tuong würde ihr erklären, dass kurz vor Dienstschluss zwei Lochnessen an seinem Stand aufgetaucht waren. Ja, genau dieselben, die Josef in der Lustigen Teh Cann einen Schrecken eingejagt hatten. Sie hatten ihm mitgeteilt, dass sie unverzüglich eine Warenprüfung bei ihm durchführen würden. Es half auch nichts, dass Tuong sie anflehte, die Kontrolle aufgrund eines Treffens von außerordentlicher Wichtigkeit (er sagte tatsächlich Treffen von außerordentlicher Wichtigkeit ) zu vertagen, es half überhaupt nichts. Die Lochnessen beharrten auf der Prüfung und fingen sogleich an, langsam und übereifrig alle Waren aufzuschreiben, die Tuong auf Lager hatte.
15 weiße Hündchen, Englisch sprechend; 12 braune Hündchen, Englisch sprechend; 5 graue, zottelige Hündchen, in unbekannter Sprache sprechend – Nachprüfung erforderlich, ein Hündchen, nicht sprechend, aber dafür lebendig, mit sehr scharfen Zähnen und festem Biss – dieser Hund befand sich rein zufällig an Tuongs Stand. Wahrscheinlich hatte er sich verlaufen und wollte sich dort nur ein wenig erholen. Die beiden Kontrolleurinnen ließen es sich aber um keinen Preis ausreden, dass Tuong die Absicht hatte, ihn zu verkaufen. Und weil Tuong keine Erlaubnis besaß, lebendige Hunde zu verkaufen, zog sich die unangenehme Unterredung um eine weitere Stunde in die Länge. Es sah schon so aus, als ob ihm die beiden eine saftige Strafe aufbrummen oder ihm gar die Lizenz für
den Stand entziehen wollten, doch dann fand sich zum Glück der Besitzer des entlaufenen Hundes, der ihn mit nach Hause nahm.
Das alles dauerte einige Stunden, und so traf Tuong erst bei Dunkelheit im Park ein, wo sich weder eine bestellte und nicht abgeholte Marta noch eine Marta, die Wurzeln geschlagen hatte, mehr befand.
»Also Li Nguyen ist immer noch krank«, sagte die Frau Lehrerin und stierte auf den leeren Platz an Lis Bank, »weißt du nicht, was mit ihr los ist, Josef?«
»Sie hat einen kranken Nerv«, antwortete Josef kurz und
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