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Josef und Li: Roman (German Edition)

Josef und Li: Roman (German Edition)

Titel: Josef und Li: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Vovsova
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Helena bei dieser ganzen schmachvollen Angelegenheit nicht unnötig schwermachen würde. Er konnte natürlich ganz genau beobachten, wie sie sich durch den Hof pirschte und versuchte, so unauffällig wie möglich den Käfig mit dem Papagei durchzuschleusen. Und er tat so, als würde er sie nicht sehen, und erstaunlicherweise interessierte sich auch Frau Háková nicht besonders für das Mädchen mit der ins Gesicht gezogenen Kaputze, das sich wie ein Schatten die Wand entlangschob. Und dann schleppte sie noch eine Handharfe mit sich! Frau Háková war ein wenig kurzsichtig, und sie kannte sich auch nicht besonders mit Musikinstrumenten aus, denn Helena tat so, als hielte sie ein kleines Hackbrett in den Händen.
    Josef beobachtete dies alles aus dem Fenster seines Zimmers und als er sah, dass Helena das Hackbrett, also den Käfig an den Fenstersims von Lis Zimmer stellte, war er sehr erleichtert.
    Überhaupt war so mancher sehr erleichtert! Helena fiel ein Riesensteinblock vom Herzen, der sie unerträglich erdrückt hatte – so ist das nun einmal mit den Gewissensbissen: Sie wiegen schwer wie Riesensteinblöcke. Oder wie Blei. Sofort fiel ihr das Atmen leichter und sie lief in den verlassenen Garten, wo schon seit ein paar Tagen die Katze nach ihr Ausschau hielt.
    Und auch Ping Nguyen war erleichtert. Es gefiel ihm gar nicht, knietief – haben Papageien überhaupt Knie? – in neuen Fremdsprachen zu waten. Aber vor allen Dingen war er erleichtert, dass er sich zu Hause nicht mehr stundenlang im Schrank verstecken musste.
    »Serrrvuuus, Li, du frrrreches Mädel!«, krächzte er so laut auf Vietnamesisch, dass Li aufwachte. Und als sie sah, dass Ping auf seiner Stange schaukelte, also ob nichts wäre, und freundlich mit dem Flügel winkte, war auch sie erleichtert. Sie war so furchtbar schrecklich erleichtert!
    »Josef ist ein Hosenscheißer und Li ist eine Hosenscheißerin! «, sprach Ping langsam und deutlich auf Tschechisch aus, um sich vor Li zu brüsten, was er alles in der Zwischenzeit gelernt hatte.
    Li fing an zu lachen, hüpfte aus dem Bett und war wieder voller Energie. Sie streichelte Pings Köpfchen – ja, Köpfchen haben Papageien bestimmt –, als ob er soeben den schönsten Satz der Welt gesagt hätte.
    Herr und Frau Nguyen waren wohl von allen am meisten erleichtert. Li war auf einmal wieder fidel wie ein Fisch im Wasser und sie mussten nicht mehr heimlich Chilischoten schneiden.

11

    Als Josef Li gestand, dass Marta ihr Hochzeitskleid zu Brillenputztüchern verarbeitet und aus dem Schleier einen Vorhang geschneidert hatte, war Li zunächst reichlich wütend. Doch dann beruhigte sie sich wieder und sagte, man müsse die Dinge wieder ins Lot bringen.
    Das war das Sensationelle an Li. Sie wusste sich immer gleich zu helfen. Und wenn nicht, dann schlief sie ein wenig und die Sache ging dann irgendwie gut aus.
    Zunächst besuchten die beiden Tuong auf dem Markt. Und fast wären sie erschrocken. Er hatte einige Nächte aus lauter Verzweiflung kein Auge zugetan und so war es kein Wunder, dass er wie ein armes Würstchen aussah.
    »Mach den Laden zu und komm mit!«, trug ihm Li auf, und Tuong gehorchte erstaunlicherweise.
    »Zuerst müssen wir ihn machen wieder schön«, flüsterte Li Josef zu und dieser nickte.
    Zu Hause seifte Li Tuong die Backen ein und dann machte sie sich mit der Klinge von Herrn Nugyen über ihn her. Ihre Hände zitterten ein wenig, sodass Josef wiederum um Tuong zitterte, ob er die Rasur überhaupt überleben würde. Schließlich aber verblutete er nicht. Li überklebte ihm alle angeschnittenen Stellen mit einem Pflaster und fing an, ihm die Haare zu schneiden. Und das war genau dasselbe wie mit dem Rasieren. Und so war Josef froh, dass ihn Li mit dieser vertrauensvollen Aufgabe zu Marta schickte und er nicht mit ansehen musste, wie Li mit der Schere dicht vor Tuongs Augen herumfuchtelte.
    Die 5a lädt Sie herzlich zum Gartenfest ein, welches heute um 18 Uhr im verlassenen Garten stattfindet , schrieb Josef auf ein kleines Blatt Papier und klopfte an Vendulas, das heißt an Martas Zimmertür. Da niemand antwortete, öffnete er die Tür ein wenig und schaute hinein.
    Marta war so in das Buch vertieft, dessen Titelblatt ein dicker, lächelnder Mann schmückte – es war Buddha –, dass sie nichts um sich herum wahrnahm. Josef musste ein paarmal hüsteln, bevor sie den Blick vom Buch losriss und ihn endlich bemerkte.
    »Hallo Josef«, sagte sie und lächelte ihn friedfertig an –

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