Josef und Li: Roman (German Edition)
durchströmen.
Gott sei Dank hatte aber Máchal die Schuhe rechtzeitig gerochen. Máchal roch immer gleich, wenn etwas im Ofen war oder auf dem Herd stand. Und so rettete er Herrn Bílek seine Schuhe. Sie waren glühend heiß, leuchteten fettig und waren bestimmt knusprig. Máchal betrachtete sie mit solchem Appetit, als wolle er sich sofort auf sie stürzen. Doch statt ihm wenigstens einen Schnürsenkel anzubieten, stopfte Herr Bílek die Schuhe in den Schrank. Und dabei murmelte er die ganze Zeit für sich: »Arrowroot, Arrowroot, ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was ein Arrowroot sein soll. Aber dafür gibt es Bücher auf der Welt, Jungs, dafür sind Enzyklopädien da!«
Und schon lief er am Buchregal hin und her und begann verschiedene Bücher hervorzuzerren. In der Wohnung von Herrn Bílek verschwanden fast alle Wände hinter Bücherregalen. Sogar auf dem Klo und in der Küche gab es Bücher, nur im Bad nicht. Dort wäre es zu feucht für sie gewesen.
Die Jungs stürzten sich auf die Bücher und suchten nach dem Wort Arrowroot, als ob es der heilige Gral oder noch etwas viel Wertvolleres wäre, etwa ein Zauberwässerchen oder
ein Wundermittel. Auf einmal konnten sie sich ganz gut vorstellen, wie Li nach dem Banh-chung schmachtete. Ähnlich würden sie in Vietnam oder einem anderen fremden Land nach Knödeln oder Schnitzel mit Kartoffelsalat schmachten. Und sie wunderten sich, dass Lis Körper und ihre Seele nicht schon viel früher rebelliert hatten. Besonders Máchal wunderte sich, denn müsste er so lange ohne seinen geliebten Rinderbraten, sein Gulasch oder ein Stück Bratwurst auskommen, dann wäre er schon längst verendet. Die Jungs blätterten eine ganze Reihe Lehrbücher durch, doch das Wort Arrowroot ließ und ließ sich nicht finden.
»Wir hätten im Internet schauen sollen«, flüsterte Hnízdil und fuhr enttäuscht mit seinen Augen über den Haufen verstaubter Bücher, die sich vor ihnen stapelten, »dort würden wir es sofort finden!« Doch das hätte er nicht sagen sollen. Oder vielleicht doch. Herr Bílek hatte es gehört und lief purpurrot an.
»Im Internet?«, rief er und schüttelte sich angewidert. Und dann, um den Jungs zu zeigen, dass nichts über Bücher ginge, dass sie noch nicht ganz abgeschrieben waren und sie sich nicht von irgend so einem Internet in die Ecke drängen ließen, fing er an, rastlos im Zimmer auf und ab zu laufen und etwas vor sich her zu brabbeln. Die Jungs beobachteten ihn ungläubig und als es schon aussah, als würde Herr Bílek noch zwei Wochen so hin und her laufen, standen sie auf und wollten sich heimlich davonstehlen. Aber da blieb Herr Bílek plötzlich stehen, schlug sich gegen die Stirn und rief: »Aber sicher! Dass ich nicht gleich draufgekommen bin!« Und er sprang an die unterste Reihe des Bücherregals, die sich von der Tür bis zum
Fenster erstreckte, und zog einen dicken Band mit einem marmorierten Buchschnitt und einem etwas abgewetzten Buchrücken hervor.
»Also das hier ist Ottos Universal-Lexikon, die Enzyklopädie des Allgemeinwissens!«, stellte er den Jungs das Lexikon vor. »Dies ist der zweite Band und darin sind alle Bezeichnungen von Sachen, Tieren, Pflanzen, Städten, Planeten enthalten, alle Namen von berühmten Persönlichkeiten, von Göttern und Götzen und weiß Gott noch was sich auf der Welt und außerhalb aufhält, angefangen mit dem Wort Alqueire bis Azymon«, und er zeigte mit dem Finger auf den Buchrücken, auf dem mit goldenen Lettern die Worte Alqueire – Azymon standen. »Das ist so ein altes Internet für mich«, sagte er und schaute Hnízdil etwas schief an.
Josef öffnete das Buch und vor seinen Augen flimmerten die Worte Alqueire, Alquifoux, Alraun, Alster, Alston, Ambra: wachsartige Substanz, zu finden im offenen Meer schwimmend , fing er an zu lesen. Über die genaue Ursache der Entstehung besteht Unklarheit. Möglicherweise entsteht sie im Verdauungstrakt von Pottwalen, was dadurch belegt wird, dass sich darin unverdauliche Teile wie Schnäbel oder Hornkiefer von Tintenfischen und Kraken wiederfinden. Diese weisen Ähnlichkeiten zu Papageienschnäbeln auf . Das Wort Papagei versetzte Josef einen Stich und er blätterte schnell um. Für solche Worte fehlte jetzt die Zeit. Er musste sich beeilen! Ambrosia, Amediye, Amritsar, Amroha, Amru, Amulius las er weiter die Worte, von denen er nie im Leben gehört hatte und nicht im Geringsten wusste, was sie bedeuteten. Es waren bestimmt keine belanglosen
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