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Josef und Li: Roman (German Edition)

Josef und Li: Roman (German Edition)

Titel: Josef und Li: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Vovsova
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Worte. Alle mussten etwas Besonderes und Wichtiges an
sich haben, wenn sie es bis hierher geschafft hatten, in Ottos Universal-Lexikon. Am liebsten hätte er sie der Reihe nach gelesen, aber Šíša schubste ihn, er solle nicht trödeln, weil das allerwichtigste Wort jetzt das Wort Arrowroot war. Und so fuhr Josef mit den Augen so schnell es ging jede Spalte der rätselhaften Worte entlang, und mit jeder umgeblätterten Seite häuften sich immer neue und neue. Amygdalitis, Anadiplose, Anadyr, Anagnost, Analekten, Ananas – uff, zumindest ein Wort, das Josef kannte –, aber Achtung, schon rollten weitere auf ihn zu! Apnoe, Apodektai, Aporaxis, Ballwurfspiel, in griechischen Turnsälen beliebt , überflog er aus dem Augenwinkel und schon suchte er weiter: Arrha, Arrhenius, Arrimage, Arrivabene … Und plötzlich schrie er: »Ich hab’s! Hier!« Und er deutete auf das Wort Arrowroot und las vor: »Arrowroot, das aus der Pflanze der Maranta gewonnene Stärkeprodukt, auch Pfeilwurz genannt.«
    »Wir brauchen aber die Blätter, nicht die Wurzeln, du Wurzelsepp!«, fiel Hnízdil Josef ins Wort, der immer noch dachte, es wäre besser gewesen, sie hätten im Internet nachgeschaut.
    »Und woran wachsen wohl diese Pfeilwurzeln, hä?«, mischte sich Šíša ein.
    »Die Pfeilwurz gehört zur Pflanzenfamilie der Pfeilwurzgewächse, die Wurzeln wachsen an der Pflanze namens Maranta arundinacea«, las Josef weiter aus Ottos Universal-Lexikon, »und darauf wachsen …«
    »Die Blätter!«, platzte es aus Máchal raus und das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Josef schaute die Jungs siegessicher an und sagte: »Gehen wir!«
    Bevor die Jungs hinausstürmten, bedankten sie sich noch schnell bei Herrn Bílek, und einen Augenblick später saßen sie in der Straßenbahn, die sie von den Hügeln Břevnovs hinunter ins Moldautal brachte.
    »Ihr braucht mir nicht zu danken! Dankt Ottos Universal-Lexikon! Da steht alles drin!«, rief Herr Bílek in den leeren Flur hinein, und vielleicht tat es ihm einen Augenblick leid, dass die Burschen nicht noch bei einem anderen Wort Hilfe gebraucht hatten.
    Sobald die Jungs ein paar Stationen gefahren waren, fanden sie sich wie durch Zauberhand im Dschungel wieder. Mitten in Prag, mitten in Europa! Also wenn sie sich die gläsernen Wände und die Decke, die diesen Ausschnitt eines Regenwaldes umhüllten, wegdachten. Und auch die Schilder mit den Namen der einzelnen Pflanzen.
    Es war zwar ein sehr kleiner Dschungel, aber eine Maranta ließ sich trotzdem nicht so leicht finden. Zum Glück fand sich aber ein Wachmann hinter den dicken, dunkelgrünen Blättern des Ficusbaumes. Er schien die Jungs schon eine Weile zu beobachten. Ihm war wohl Máchals gieriger Blick auf eine Staude reifer Bananen an der Glasdecke nicht entgangen.
    »Vorsicht! Der beobachtet uns! Wir müssen ihn loswerden! «, flüsterte Hnízdil, während Josef und Máchal im Kautschukgestrüpp untertauchten. Der Einzige, der einen kühlen Kopf behielt, war Šíša. Statt sich zu verstecken trat er ganz ruhig auf den Wachmann zu und sagte: »Entschuldigen Sie, bitte, wir sind eine Gruppe junger Naturwissenschaftler und würden gerne wissen, wo wir die Maranta arundinacea finden.«
    Und es war, als hätte er einen Zauberspruch gesagt. Der verdrießliche und bis jetzt misstrauisch wirkende alte Mann taute mit einem Mal auf, strahlte übers ganze Gesicht und rief begeistert: »Das gibt’s doch nicht! Die jungen Herrn Naturwissenschaftler wollen der Maranta einen Besuch abstatten!? Na, das ist aber lieb von euch, da wird das Marantchen aber Freude haben! Kommt mit, ich bring euch gleich zu ihr!«
    Der Wächter lief unerwartet los, quer durch das Glashaus, sodass die Jungs kurz den Eindruck hatten, dass er ihnen ein echtes Lebewesen zeigen wollte, eine gute Freundin oder eine Verwandte, auf die er stolz war und mit der er gerne prahlte.
    »Das sind wirkliche Lebewesen!«, plapperte er aufgeregt im Gehen, als ob er Gedanken lesen konnte, »das sind meine Freundinnen, und sogar Verwandte! Und eure letzten Endes auch! Wir sind alle miteinander verwandt! Auch Steine sind unsere entfernten Brüder! Und dann erst die Pflanzen! Wir führen immer lange Gespräche. Einige der Pflanzen sind sehr schlau und witzig! Ganz besonders die Bäume. Die haben vielleicht einen Humor! Dieser Eukalyptusbaum da hat mich mal zum Lachen gebracht, bis ich Tränen geweint hab!«, fuhr der Wachmann fort und kämpfte sich durch die tropische Vegetation zum nördlichen Ende

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