Josefibichl
Treppenhaus hinter ihr geschlossen hatte, murmelte er anerkennend: »Geiler Arsch. Und das in der Uniformhose. Die meisten schauen da drin doch aus wie ein Sack voll Hirschg‘weih.«
Bernbacher war froh, als der Hundeführer wieder gegangen war. Hatte er doch den richtigen Riecher gehabt – wie eben der Spürhund Uschi. Dabei war es eigentlich Schwachsinn, Hunde den Wald rund um den Josefibichl absuchen zu lassen. Doch im Tagblatt lasen sich Berichte über Polizeieinsätze mit Hundestaffel immer ungemein engagiert, und morgen würden die Bürger im Tal lesen können, dass zwar ein schlimmes Verbrechen geschehen war, das am dritten Tag immer noch seiner Aufklärung harrte, aber die bayerische Polizei unter Federführung von Polizeihauptkommissar Ludwig Bernbacher alles Erdenkliche tat und keine Kosten und Mühen scheute und sogar eine Hundestaffel einsetzte, um den Täter dingfest zu machen . . .
»Sie täuschen sich gewaltig. Ich hab mit der ganzen Sache nichts zu tun.« Veit Gruber hatte dies in dieser oder ähnlicher Form mindestens schon siebenmal dem jungen Schnösel in seinem blau-weiß quergestreiften Poloshirt gesagt. Der machte keinen Hehl daraus, dass er den Großgrundbesitzer, der in den normalerweise von zugereisten Verhaltensbayern verwendete Edelloden gewandet war, von der ersten Sekunde an für unseriös hielt.
Bernd Schneider hatte zuerst im Berggasthof Panorama nach Gruber gesucht. Dabei war ihm aufgefallen, wie nah Kloster und Gasthof zusammenlagen. Gruber sei entweder im Ort beim Einkaufen oder aber zu Hause, war ihm von einer drallen Bedienung auf krächzendem Tirolerisch beschieden worden. Sie hatte ihm auch die Adresse von Grubers Privathaus genannt, und als Schneider die auf seinem Handy in die Internetlandkarte eingab, erkannte er, dass dieses Haus das Ende der Bebauung unterhalb des Josefibichls darstellte und die enge Straße vom Berggasthof Panorama zu diesem Wohnhaus am Ende des Wankwegs direkt am Kloster St. Anton vorbeiführte.
Zwischen diesen Lokalitäten erstreckte sich der Wald, der dem Gruber gehörte. Der Tatort – oder zumindest der Fundort der Leiche – lag also direkt auf gruberschem Gebiet.
»Gehört Ihnen eigentlich alles hier? Oder nur dieser Berg?«, setzte Bernd Schneider seine Befragung fort.
»Praktisch der halbe Berg«, war die knappe Antwort.
»Also auch der Josefibichl?«
»Hm, das ist nicht so leicht zu beantworten. Ich würde sagen, ja. Es gibt Leute, die etwas anderes behaupten.«
»Geht‘s ein klein wenig konkreter?«
»Meine Familie bewohnt und bewirtschaftet dieses ganze Gebiet des unteren Wankecks schon seit Jahrhunderten. Das war früher noch viel mehr. Da kommt mal was dazu, und da kommt mal was weg im Lauf der Zeit. Sagen wir’s so: Rechtlich gehört‘s seit der Säkularisierung mir, aber ich lass die Christenmenschen hier gern ihrem . . . also, unserem Herrn huldigen. Die Wiese ist land – und forstwirtschaftlich eh nicht verwertbar.«
Nach Schneiders Meinung war dieser Gruber mit seiner schweißbedeckten Halbglatze, seinem Trachtenhabit und dem Schmerbauch die perfekte Karikatur des Geschäftsbayern, wie er dastand in seinem außen mit Lüftlmalerei und kapitalen Hirschgeweihen verzierten und innen mit Kruzifixen und Krickerln nur so vollgestopften Landhaus. Der anthrazitgraue Siebener-BMW in der Auffahrt – selbstredend GAP-VG 1 – und der kaffeebraune Mini Clubman von Frau oder Tochter passten ins Bild wie gemalt. Dennoch demonstrierte dieser Vorzeige-Partenkirchner eine offensichtliche Distanz zu den Anhängern der hier vorherrschenden Religion. Zusammen mit dem Hartinger – der immer noch nicht aufgetaucht war, wie Schneider bei diesem Gedanken in den Sinn kam – also schon zwei zumindest kirchenkritische Zeitgenossen, die hier durch die Alpenkulisse sprangen. Machte das die Gegend schon zu einem gefährlichen Pflaster für Mönche?
Schneider fand es amüsant, dass Gruber die eigene Existenz mit der seiner Vorfahren verwechselte, denn die Säkularisierung, also die Verweltlichung des kirchlichen Eigentums, hatte in Bayern Anfang des neunzehnten Jahrhunderts stattgefunden; das wusste Schneider noch aus dem Vortrag seiner Assistentin am Morgen. Mehr ärgerlich als amüsant fand er, wie Veit Gruber versuchte, das alles möglichst geschäftsmäßig abgeklärt rüberzubringen.
»Land – und Forstwirtschaft sind aber nicht Ihre einzigen Einnahmequellen«, stellte er fest, um Gruber wissen zu lassen, dass er sich nicht völlig
Weitere Kostenlose Bücher