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Josefibichl

Josefibichl

Titel: Josefibichl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Ritter
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unvorbereitet auf den Weg zu ihm gemacht hatte.
    »Sie sind aber nicht von der Finanzaufsicht, oder?«, gab der gereizt zurück.
    »Herr Gruber, auf einer Waldlichtung, die an Ihr Wohnhaus grenzt und deren Besitz Sie offenbar für sich beanspruchen, wurde gestern ein toter Mann aufgefunden. Dieser Mann war Mönch in einem Kloster, dessen Grund von Ihrem umgeben ist und mit dem Sie beziehungsweise Ihre Familie seit Generationen in Grenzstreitigkeiten leben. Und in diesem Kloster war der Tote für die Liegenschaftsverwaltung zuständig. Glauben Sie, das ist der richtige Zeitpunkt, einen leitenden Ermittler des Bayerischen Landeskriminalamts schwach anzureden? Wenn Sie wünschen, können wir im Zuge unserer Ermittlungen die Finanzen und den Besitzstand Ihrer Familie bis in die Römerzeit zurückverfolgen. Solche Serviceleistungen vollbringt unser Staat für Bürger, die den Überblick über ihr Hab und Gut verloren haben, sehr gern und kostenlos! Das rechnet sich für uns und die Gemeinschaft der Steuerzahler am Ende meistens sehr gut.«
    »Passt scho«, lenkte Gruber ein, dem jedes Mal eng ums Herz geworden war, wenn wieder eine der liechtensteinischen Steuersünder-CDs aufgetaucht war; dann konnte er wochenlang nur unter Zuhilfenahme von reichlich Malt-Whisky schlafen. Bisher hatte er aber jedes Mal durchgehalten und keine Selbstanzeige erstattet. Einem Gruber musste man schon draufkommen. Der Hang zur Selbstbezichtigung war nicht in der Familien-DNA verankert.
    »Ja, meine Familie lebt seit Generationen mit denen von St. Anton im Clinch, das stimmt. Dieses Kloster ist ein einziger Schwarzbau. Auf meinem Grund und Boden. Und ein Schwarzbau ist, auch wenn er dort seit mehreren Hundert Jahren steht, in meinen Augen immer noch ein Schwarzbau.« Veit Gruber schnaubte.
    »Das heißt im Klartext, dass Sie das Kloster wegreißen würden?«, staunte Schneider über den Ausbruch des Waldbesitzers, während er sich daran erinnerte, was ihm Claudia Schmidtheinrich am Morgen referiert hatte: dass das Kloster vor dreihundert Jahren aus einer kleinen Wallfahrtskirche entstanden war, die man immer weiter ausgebaut hatte.
    »Schmarrn, wo denken Sie hin?«, widersprach Gruber kopfschüttelnd. »Das eine hat mit dem anderen doch nichts zu tun.«
    Schneider mutmaßte zwar, dass sich eine spezielle oberbayerische Geschäftslogik hinter dieser unklaren Aussage verbarg, hatte aber dennoch keine Ahnung, was Gruber damit meinen könnte. Entsprechend ratlos schaute er ihn an.
    »Ich meine, so ein Grundbuch, da stehen Sachen drin, wie sie halt von Gemeindeschreibern in den letzten paar Hundert Jahren reingeschrieben wurden. Ich weiß, dass das Kloster unrechtmäßig auf meinen Grund gesetzt wurde, aber meine Vorfahren hat das entweder nicht interessiert, oder sie haben es gebilligt. Und irgendwann ist es dann halt im Grundbuch so gestanden. Da es keine weiteren Urkunden gibt, muss ich mit dieser Situation leben und eben das Beste draus machen, oder?«
    Gruber schaute den wesentlich jüngeren Schneider spitzbübisch an und zog die rechte Braue hoch. Schneider wollte den Redefluss des Geschäftemachers nicht unterbrechen.
    »Und da komme ich zurück auf Ihre Frage: Nein, Land-und Forstwirtschaft sind nicht meine einzigen Engagements. Was Sie sicher noch nicht wissen: Ich baue hier ein zukunftsträchtiges und dabei nachhaltiges touristisches Zentrum auf.« Bei den letzten Worten hatte sich Veit Grubers Haltung merklich gestrafft, und er war beinahe zehn Zentimeter gewachsen. »Ein Zentrum für Körper und Geist, wie es im Alpenraum kein Zweites gibt, wo sich die geschundenen Opfer unserer modernen Zivilisation reinigen und runderneuern können.«
    Das wollte Bernd Schneider nun ganz genau wissen. Nicht nur aus beruflichem Interesse: Er betrachtete sich mit seinem Arbeitspensum selbst als eines der besagten Opfer, und so ein Zentrum knapp eine Autostunde von München entfernt wäre auch für ihn etwas gewesen. Dabei dachte er momentan nicht darüber nach, ob er sich den Besuch einer solchen Einrichtung von seinen Beamtenbezügen, die für seinen relativ aufwendigen Lebensstil mit der Dreieinhalbzimmerwohnung in Nymphenburg und den Markenklamotten draufgingen, überhaupt würde leisten können.
    »Erzählen Sie«, ermunterte er Gruber, der gerade richtig in Fahrt kam.
    Endlich wies der seinem Besucher einen Platz auf der italienischen Designercouch zu, die in der zirbelverbauten guten Stube ziemlich deplatziert wirkte. »Ich muss etwas ausholen.

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