Josefibichl
Dessen Parfüm lag immer noch in der Luft, die Zitronen – und Sandelnoten wollten sich so überhaupt nicht mit den Ausdünstungen des Linoleumbodens der Polizeiinspektion und des für seine Säuberung verwendeten scharfen Putzmittels mischen. So roch es sonst nur, wenn sie einen der russischen Zuhälter vernahmen, die ihre Geschäfte am südlichen Ortsausgang in der Nähe des amerikanischen Militärgeländes in der Breitenau betrieben.
Die junge Polizeiobermeisterin Janine Wagner, die am Tag zuvor den Hartinger bis über die Grenze der Zuständigkeit der Garmisch-Partenkirchner Polizei verfolgt hatte, riss ihren Chef aus seinen Gedanken über Parfüms und die Zustände um die amerikanische Siedlung. »Die Hunde sind wieder da«, meldete sie und blieb neben der Tür des Besprechungsraums stehen. Sie trug ihre selbst gekaufte khakifarbene Jeans, mit der sie die für Frauenkörper gänzlich fehlgeschnittene Uniformhose der bayerischen Polizei ersetzt hatte, und wartete offenbar auf weitere Instruktionen, durch deren Erfüllen sie die Schlappe vom Vortag ausmerzen konnte. Außerdem war sie auf den Bericht des Einsatzleiters der Hundestaffel gespannt, der gerade die Treppe heraufkam.
»Servus, Ludwig«, begrüßte der Hundeführer Markus Fichtinger den Inspektionsvorsteher. Bernbacher war es gar nicht recht, dass seine junge POM Wagner mit ihren engen Jeans so lässig an der Besprechungszimmertür lehnte. Nicht, dass sie und der Fichtinger sich ineinander verschauten. Mit seinen beinahe schulterlangen Haaren und dem schwarzen Fünftagebart sah der für einen bayerischen Polizisten etwas verwegen aus, kam aber – wie Bernbacher neidlos anerkennen musste – im grünen Overall recht durchtrainiert daher. Doch erstens war der nun gar nicht der Jahrgang der blonden Oberpfälzerin, zweitens waren die Hundeleute allesamt als Hallodris verschrien.
Bernbacher wurde sofort dienstlich. »Servus, Markus. Was hast?«
»Was soll ich schon haben? Wir sind den ganzen Berg jetzt einen Vormittag lang mit drei Hunden abgegangen. Aber wenn man nicht weiß, wonach man sucht, ist es schwierig, Ludwig. Warum habt ihr uns eigentlich angefordert? Ich kann nur eins sagen: Versteckt hält sich niemand im Wald zwischen St. Anton und der Faukenschlucht. Am Josefibichl haben wir natürlich alle möglichen Duftmarken. Aber wie gesagt: Nach was sollen wir suchen?« Er machte eine bedeutungsvolle Pause, in der er die junge Polizistin neben ihm aufreizend langsam von oben bis unten musterte. Mit einem spitzbübischen Grinsen sagte er mehr zu ihr als zu Bernbacher: »Aber haben tu ich natürlich trotzdem was.«
»Willst es mir sagen?« Es war Bernbacher zuwider, dass ihn der Hundeführer vor seiner Lieblings-POM belehrte, sie mit seinen Blicken beinahe auszog und ihn dann auch noch zappeln ließ.
»Ein Bücherl.« Fichtinger sprach weiterhin direkt zu Janine Wagner.
»Ein Bücherl, soso. Und was für eins und wo gefunden, und was steht drin?« Bernbacher wurde lauter.
Fichtinger wandte sich nun doch Bernbacher zu. »Was drinsteht, musst schon selber lesen. Die Uschi hat‘s gefunden, und ich hab‘s sofort in ein Asservatensackerl getan.«
»Die Uschi?«
Fichtinger verdrehte die Augen und verschluckte ein »Depp«. »Nein, die Uschi ist mein Hund. Das Bücherl hab ich ins Sackerl, was sonst. Und gefunden hab ich‘s – also, die Uschi – vier Meter von der Stelle entfernt, wo der tote Mönch gestern gefunden worden ist.« Markus Fichtinger langte in die auf dem Oberschenkel aufgesetzte Tasche seines Polizeioveralls und fingerte eine in eine Plastikhülle verpackte Chinakladde im Postkartenformat hervor. Bernbacher nahm das Fundstück an sich, betrachtete es gegen das Neonlicht der Besprechungszimmerbeleuchtung, als könne er auf diese Weise durch den schwarzen Einband des Notizbuchs blicken, und reichte es weiter an Janine Wagner.
»Frau Wagner, bitte sofort der Spurensicherung übergeben. Sind die überhaupt noch da oder schon wieder in Weilheim?« Bernbacher war nicht wenig verwundert darüber, dass die SpuSi diesen Gegenstand in nicht allzu großer Entfernung vom Toten nicht entdeckt haben sollte. Diesen Sachverhalt wollte er möglichst schnell mit Herrmann Rottal klären. »Schauen Sie doch bitte, wo dieser Rottal steckt. Ich will den umgehend sprechen. Und die sollen sich schicken. Ich will das Buch lesen. Heute noch!«
Janine Wagner verschwand mit dem Büchlein. Markus Fichtinger blickte ihr nach. Als sich die Feuerschutztür zum
Weitere Kostenlose Bücher