Josefibichl
alle grausamen Methoden erforscht, kleine Tiere zu quälen. »Oder, lieber Kollege Bernbacher, gibt es Wissen, das Sie mit uns teilen möchten?«
Dieses Mal konnte Ludwig Bernbacher zeigen, dass auch in ihm ein richtig guter Polizist steckte. »Ja, allerdings. Wenn Sie hier nicht wie ein Wahnsinniger herumbrüllen würden, wüssten Sie es auch bereits.«
»Jetzt kommen Sie schon, Bernbacher, wer schreit denn hier?«
»Also, wie es sich gehört, habe ich heute früh das Alibi des Verdächtigen Hartinger überprüft. Das meiste von dem, was er mir gestern Abend erzählt hat, also wo er wann gewesen ist, hat sich bestätigt. Also Steuerberater, Fotos Waschstraße, Fotos Berufsschule. Auch Dr. Frankenthaler war richtig.« Bernbacher las aus seinem kleinen, in grünes Plastik gebundenen Taschenkalender der Polizeigewerkschaft.
»Ja, und?«, sagte Claudia Schmidtheinrich.
»Dr. Frankenthaler ist richtig. Aber falsch ist, welche Dr. Frankenthaler. Er war nämlich nicht bei der Zahnärztin, wie er mir weißmachen wollte. Er war bei der Schwester, und die ist Fachärztin für Psychotherapie.« Bernbacher wollte seinen Triumph möglichst lange auskosten und wälzte die Geschichte aus wie eine Partenkirchner Hausfrau den Mürbteig für einen Zwetschgendatschi.
»Interessant«, meinte Schneider. »Und was hat er da gewollt?«
»Bei der ist er in Behandlung wegen seines immer wieder vorgekommenen Ausrastens gegenüber seinen Mitmenschen. Deswegen ist er auch bei der Süddeutschen rausgeflogen.«
»Das hat Ihnen doch nicht die Frau Doktor erzählt«, wunderte sich Schneider. »Ich meine, es gibt doch sicherlich auch in diesem Tal so was wie eine ärztliche Schweigepflicht?«
»Man hat so seine Quellen.« Ludwig Bernbacher wandte sich in Richtung seines Chefbüros ab. Musste ja nicht jeder wissen, dass die Sprechstundenhilfe von Dr. Theresia Frankenthaler eine Nichte von Bernbachers Frau Maria war.
»Bernbacher, hierher!«, rief Schneider den uniformierten Hauptkommissar zurück wie einen jungen Dackel, der zum achten Mal hintereinander in die Wohnung gepieselt hatte. »Die Kollegin Schmidtheinrich hat es doch gerade gesagt: Garrotte, das steht nicht für einen Affekt. Und überhaupt: Wo ist er denn, Ihr Hartinger? Schauen Sie, dass Sie ihn hierher kriegen, dann nehmen wir ihn schon in die Mangel, das verspreche ich Ihnen!«
Das selten empfundene Gefühl eines Triumphes schmolz in Ludwig Bernbacher so schnell zusammen wie ein Schneefeld auf der Alpspitze Mitte August.
Jetzt musste er den Hartinger Gonzo einfach bekommen, um allen und vor allem diesem Schneider zu zeigen, dass er recht hatte.
Die Ermittelnden der bayerischen Polizei, Inspektion Garmisch-Partenkirchen, und des Bayerischen Landeskriminalamts, Kriminaldauerdienst, waren nicht die Einzigen, die an diesem Tag keine Erfolge vorzuweisen hatten. Karl-Heinz Hartinger war es trotz funktionierenden Handys nicht gelungen, seinen Rettungsanker Kurt Weißhaupt zu kontaktieren. Der alte Mann ging einfach nicht ans Telefon, und nach dem vierten vergeblichen Versuch wollte Hartinger nicht noch weitere elektronische Spuren hinterlassen. Er wollte auf dem winzigen BlackBerry auch nicht an seiner Geschichte weiterschreiben, zumal dessen Tastatur für seine riesigen Wurstfinger völlig ungeeignet war.
Aber er wollte der Geschichte einen Dreh geben, der den Verdacht von ihm weg auf den wirklichen Täter lenken sollte. Wer der war, wusste Hartinger ebenso wenig wie alle anderen. Er wusste nur, dass er es nicht war. Ein Wissen, das den anderen offenbar fehlte, was ihn wiederum dazu veranlasste, bei seinem öffentlichen Auftreten immer größere Vorsicht walten zu lassen.
Für diesen Julimittwochnachmittag war zwischen Bad Heilbrunn und Bad Tölz, wohin Hartinger beschlossen hatte zu radeln, auffällig viel Polizei unterwegs. Oder kam es Hartinger nur so vor? Er war froh, dass der Fahrradweg von Heilbrunn nach Tölz meist durch eine dichte Buschhecke von der Bundesstraße abgeschirmt war. Dennoch sah er keinen der Fahrer der vier entgegenkommenden Streifenwagen, die er zählte, direkt an, sondern strampelte mit dem Gesicht stur nach unten gerichtet weiter. In Tölz gab es bestimmt ein Internetcafe. Außerdem hielt er es für besser, in Bewegung zu bleiben, als zu lange an einem Ort zu verweilen und sich dabei in das Gedächtnis eines zufälligen Beobachters zu brennen. Zumindest war Tölz kein so winziges Kaff wie Heilbrunn. Um diese Zeit im Sommer gab es dort eine Menge
Weitere Kostenlose Bücher