Josefibichl
Telefonaten und den Computereingaben herrührte. In jeder Bürotür blieb er stehen und raunzte sein »Und?« in die mit drei oder vier Uniformierten besetzte Amtsstube. Ein großes Nichts auf allen Kanälen.
Karl-Heinz Hartinger blieb untergetaucht. Sein Handy hatte er in den frühen Morgenstunden in München ein paarmal angeschaltet, das zumindest hatte der Mobilfunkprovider den Netzwerkfahndern des LKA mitgeteilt. Seit neun Uhr morgens aber war das Telefon aus und bis jetzt nicht mehr in Betrieb genommen worden. Die Fahndung nach ihm konzentrierte sich also auf den Großraum München.
Die Untersuchung des Franziskanerklosters St. Anton hatte nichts gebracht. LKA-Schneider geizte mit Informationen über das, was er und seine Adjutantin den ganzen Tag über trieben. Die Obduktionsergebnisse hatten zwar die wirkliche Tatwaffe ans Licht gebracht, aber sonst keine verwertbaren anderen Spuren. Die DNA-Analysen von der Leiche, vom Fundort und der Umgebung waren noch lange nicht ausgewertet. Das ominöse Notizbücherl vom Josefibichl konnte Bernbacher nicht lesen.
Bernbacher war gerade mit seinem »Und?« am Büro Maik Oberbrücks und Janine Wagners vorbeigelaufen, als ihm die blonde Polizeiobermeisterin nachhechtete.
»Herr Bernbacher, wir haben da was. In der Onlineausgabe der Süddeutschen ist vor einer Viertelstunde ein kurzer Artikel zu unserem Fall erschienen.«
»Und?«
»Der Autor behauptet darin, es gebe Hinweise, dass die Tat. . .« Sie schaute auf den Ausdruck des Artikels in ihrer rechten Hand. »Ich zitiere: . . . dass eine viele Jahrzehnte alte Geschichte hinter der grausamen Tat steckt. . .« Janine Wagner verlas die komplette Meldung. ». . . vor wenigen Tagen wurde ein nächtlicher Anschlag auf das Fahrzeug einer Olympiagegnerin verübt. . .«
Bei diesen Worten riss ihr Bernbacher das Recyclingpapier aus der Hand. Er wiederholte die letzten Spekulationen des Artikels so langsam und leise, als würde er die Sprache, in der er geschrieben war, nur schwer verstehen – ». . . nächtlicher Anschlag auf . . . Olympiagegnerin . . . steile Eskalation der Gewalt . . .« –, lief puterrot an und brüllte los, als wollte er drüben auf dem Partenkirchner Friedhof zwei Generationen Verstorbener aufwecken: »Ja, Kreizkruzifix, so ein kompletter Totalschwachsinn! Welcher Volldepp von Schreiberling verbricht denn so was? Olympiagegnerin! So ein Depp, so ein geeichter! Der Obermeier Theres habens wahrscheinlich die Scheiben eingeschmissen, weil sie uns dreimal gerufen hat, als die Saubande von Jugendlichen nebenan eine Party bei voller Lautstärke bis in der Früh um sechs gefeiert hat. Und nicht, weil ihr die eine oder andere Wiese gehört, auf der das IOC ein Snow Village bauen möchte. Das haben wir und der Meier Hansi nur nicht dementiert, weil es eine Super-PR ist. Sagt der Meier Hansi. Überhaupts: Snow Village!« Schno Willitsch, prononcierte Bernbacher absichtlich bajuwaresk in seinem heiligen Zorn. »Wer lässt sich eigentlich einen solchen Scheißdreck einfallen, ha? Und jetzt soll der Mönch den Olympiagegnern oder meinetwegen auch den Befürwortern zum Opfer gefallen sein? Oder einem Geist aus der Vergangenheit? Kreizkruzifix nochamal, so ein Gwaltsschmarrn!«
Die schmale Janine Wagner ließ die Sturmbö dieser Schimpftirade, die sie voll von vorn traf, tapfer über sich ergehen.
Nach seinem Ausbruch verschanzte sich Bernbacher umgehend in seinem Büro und schmiss dabei die Tür mit einer solchen Wucht ins Schloss, dass POM Wagner, die immer noch wie der Fels in der Brandung an Ort und Stelle in der Mitte des Ganges stand, eine Druckwelle zu spüren glaubte.
Bernbacher ließ sich im Büro auf seinen Sessel plumpsen und hatte bereits im Fallen mit der Linken den Telefonhörer aufgenommen und mit der Rechten den obersten Kurzwahlknopf gedrückt. Eine direkte Verbindung in das Büro des Garmisch-Partenkirchner Bürgermeisters war die Folge.
»Hansi, ich bin‘s«, ließ er Hans Wilhelm Meier wissen.
»Schon klar«, gab der Angerufene zurück. Auch Meier hatte die Nummer seines Polizeichefs in sein Telefon mit den zig Kurzwahltasten, die teilweise sehr spezielle Verbindungen im Freistaat hersteilen konnten, gespeichert. »Was gibt‘s, Ludwig?«
»Mach mal dein Internet auf, und schau mal auf die Onlineseiten von der Süddeutschen. Irgendwer verzapft da einen rechten Schmarrn über uns.«
Am anderen Ende hörte Bernbacher ein Klappern, dann ein anschwellendes Schnauben und schließlich: »Jessas,
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