Josefibichl
die Landkarte des internationalen Toptourismus setzen. Ich werde mit dem revolutionären Projekt. . .«
»Das spinnerte Spirit-Ding, ich habe dir davon erzählt«, sagte Schneider zu seiner Assistentin, um dem wandelnden Verkaufsprospekt Gruber Einhalt zu gebieten.
»Und wo kommen jetzt Ihre Milliönchen für Ihr Visiönchen her?« Claudia Schmidtheinrich machte sich über den offenbar größenwahnsinnigen Gastronomen lustig.
»Wüsste nicht, was das hier zur Sache tut. Aber Sie können sicher sein, dass der Veit Gruber nicht so narrisch ist, dass er dafür einen Bettelmönch umbringt.« Damit war für Gruber die Diskussion beendet. Und ganz von der Hand zu weisen war es nicht, dass Geld – insbesondere im Hundertmillionenbereich – nicht das Motiv für den Mord an Bruder Engelbert sein konnte.
Die beiden LKA-Beamten mussten es einsehen: Da sie nichts gegen Gruber in der Hand hatten, gab es keinen Grund, ihn als Verdächtigen zu verhören oder gar in Gewahrsam zu nehmen. Der Mann war allenfalls als Zeuge einzustufen.
»Kommen Sie bitte morgen früh auf die Polizeiinspektion, und geben Sie Ihre Aussage zu Protokoll«, wies ihn Bernd Schneider an.
Als sie wieder im Auto saßen und von Grubers Anwesen hinunter zur Polizeiinspektion rollten, gingen Schneider und Schmidtheinrich das Phänomen Gruber noch einmal durch.
»Hat der Chefredakteur nicht gesagt, diesmal würde er es vielleicht sogar schaffen? Was hat er damit wohl gemeint?«, fragte Bernd Schneider.
»Es muss wohl einen Finanzier geben, der tatsächlich diesen Berg hier über uns in ein Weltzentrum der Spiritualität verwandeln will«, sagte Claudia Schmidtheinrich.
»Und wenn der junge Mönch wiederum der Schlüssel zur Erschließung des Gesamtgebiets rund um das Kloster war?«, spann Schneider den Faden weiter. »Dann wäre jemand, der das überhaupt nicht will, daran interessiert, dass dieser Schlüssel verschwindet.«
»Der Bürgermeister, zum Beispiel«, meinte Claudia Schmidtheinrich, »weil der andere Pläne mit dem Ort hat.«
Nach einer kurzen Pause ergänzte Bernd Schneider: »Oder der Abt.«
In Jachenau führte der frühabendliche Hunger Hartinger stramm auf den Gasthof Zur Post zu, aber er wollte weiter. Strecke machen. Leider hatte er nicht gewusst, dass es auf der Mautstraße zwischen Jachenau und Walchensee keinen Busverkehr gab. Wollte er die Strecke nicht zu Fuß bewältigen, musste er entweder ein Fahrrad klauen oder einen Touristen bitten, ihn mitzunehmen. Doch er war sich nicht ganz sicher, ob er in seinem Aufzug und in dem Zustand nach der Anstrengung des Tages nicht einen zu bleibenden Eindruck hinterlassen würde. Daher wählte er auf dem Parkplatz des Gasthofs ein Auto mit rumänischem Kennzeichen aus, denn seiner Erfahrung – oder seinen Vorurteilen – nach waren Osteuropäer Trampern gegenüber aufgeschlossener als Mercedesfahrer aus dem Harz. Besonders ungewaschenen Trampern gegenüber. Außerdem hatten die sicher auch nicht die Bild gelesen und konnten daher mit seinem Gesicht nichts anfangen.
Er wartete geduldig eine Dreiviertelstunde, bis die Besitzer ihre abendliche Einkehr beendet hatten und den Heimweg antreten wollten. Er hoffte, dass das junge rumänische Paar in Richtung Garmisch-Partenkirchen unterwegs war und nicht zurück nach Bad Tölz wollte. Seine Geduld wurde belohnt. Er brauchte nur »Autostopp« und »Garmisch« zu sagen, und die beiden osteuropäischen Urlauber boten ihm einen Platz im Fond ihres kaffeebraunen Dacia an.
Eine Dreiviertelstunde später ließ er sich bei der Ortseinfahrt von Partenkirchen in der Nähe des Skistadions absetzen. Die Unterhaltung mit den barmherzigen Rumänen war knapp gewesen. Hartinger war von der kurzen Nacht und vom Radeln zu müde und das Englisch der beiden zu schlecht. Bereits in Einsiedl am Südende des Walchensees hatte man die Konversationsbemühungen einvernehmlich eingestellt.
Hartinger musste einen Unterschlupf finden. Wenn es überhaupt irgendjemanden gab, der ihm helfen wollte, so war diese Person eine knappe Stunde Fußmarsch entfernt. Also machte er sich auf den Weg durch die Partnachklamm hinauf nach Graseck.
Nach gut zwanzig Minuten erreichte er den Klammeingang. Am frühen Abend war die Hütte dort nicht mehr besetzt, sodass der einzige Einheimische, der ihn erkennen konnte, der Klammpförtner, keine Gefahr darstellte. Ihm kamen auch nur noch vereinzelte Wanderer aus dem hinter der Klamm liegenden Reintal entgegen. Nur bei einem, der sein Mountainbike
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