Josefibichl
sehen? Wo bewahren Sie die auf? Hier? In einem Büro? Ich brauche alles.«
Veit Gruber rang um Fassung. So leicht wollte er sich nicht geschlagen geben. »Haben Sie irgendein Dokument, so etwas wie einen Durchsuchungsbefehl?«
»Beschluss heißt das. Durchsuchungsbeschluss. Nein, haben wir nicht, brauchen wir aber auch nicht. Gefahr im Verzug. Verdunklungsgefahr.« Claudia spielte ihre Rolle sogar oscarreif, wie Schneider fand.
Daraufhin versuchte Gruber den Ausbruch nach vorn: »Okay, jetzt lassen wir mal die Kirche im Dorf. Sie wollen sich doch nicht mit meinen paar Leitzordnern langweilen. Lassen wir also den ganzen Finanzschmarrn.«
Claudia blieb stur. »Und wie ich mich für Leitzordner interessiere. Ich kann gar nicht genug davon bekommen. Also, wo sind sie?«
»Oder gibt es vielleicht noch Spannenderes aus Ihrem schillernden Leben zu berichten?«, mischte sich Schneider wieder ein. »Vielleicht Ihr Verhältnis zu einigen inzwischen verstorbenen oder noch lebenden Personen in diesem Tal?«
»Wie ich Ihnen schon gesagt habe: Meine Familie bestimmt hier seit Jahrhunderten das Leben. Da hat man zu mehr Toten als zu Lebenden Beziehungen.« Gruber perlte noch immer der Schweiß auf der Halbglatze, aber er hatte seine Fassung nun zurückerlangt.
»Ganz konkret würde ich gerne wissen, welche Beziehung Sie zum Kloster St. Anton, zum getöteten Mönch Engelbert und zu Abt Gregorius haben.« Schneider sparte es sich, auch nach der Beziehung zu Bürgermeister Meier zu fragen. Gruber hätte da mit Sicherheit gebockt.
Der Multiunternehmer erhob sich von seiner Designercouch, wo er gesessen hatte, ganz so, wie ihn Schneider eine Stunde zuvor zurückgelassen hatte. »Also, jetzt sag ich‘s Ihnen, wie‘s war. Sie geben ja eh keine Ruh. Der junge Mönch war mit mir handelseinig. Er war ein innovativer Mensch, so wie ich. Er kannte sich in Geschichte gut aus und wusste daher, dass es immer eine Fortentwicklung geben muss. Das Gegenteil von Fortschritt ist nicht Rückschritt, sondern Stillstand, hat er immer gesagt. Auch der Pater Engelbert wollte aus St. Anton etwas Neues machen. Ein Kloster, zu dem die Leute kommen. Aus der ganzen Welt. Sie werden sehen: Das passt wunderbar zu Spirit Of The Alps! Und Sie haben ja im Film gesehen, dass wir dieses kleine Kirchlein gewaltig aufpimpen wollen.« Gruber hatte sofort wieder dieses Glänzen in den Augen.
»Gruber, Sie werden ja immer einfallsreicher«, sagte Schneider in falscher Anerkennung. »Der junge Mönch hätte Ihnen also bei den Genehmigungen geholfen? Und der alte Abt?«
»Na ja, der ist in dieser Hinsicht ein wenig . . . äh, konservativer. Aber dass sein Kloster stirbt, wenn er nichts tut, ist ihm auch klar. Der Mann will doch schon längst die Führung abgeben. In ein, zwei Jahren hätte Pater Engelbert dort oben als neuer Abt das Sagen gehabt.«
»Und für die Finanzierung Ihres Projekts hätte er sicher in jeder Messe den Klingelbeutel zweimal rumgehen lassen. Da wären Ihre vielen Hundert Millionen sicher nach ein paar Sonntagen zusammengekommen«, spöttelte Schneider. »Und wenn das immer noch nicht gereicht hätte, hätte er halt für Sie Kerzen verkauft.«
»Schmarrn, Sie verstehen überhaupt nichts!«, sagte Gruber verärgert. »Geld – das ist doch nur der Katalysator zwischen Sehnsüchten und Möglichkeiten. Möglichkeiten habe ich ja zu bieten, das haben Sie gesehen.«
»Und Menschen mit Sehnsüchten kennen Sie sicher auch genug in diesem Tal«, fiel Claudia Schmidtheinrich ein.
»O mein Gott, so ein Unsinn!« Veit Gruber fasste sich an den haarlosen Vorderkopf. »In diesem Tal. . .« Er brachte zwischen Zunge und Schneidezähnen ein verächtliches Zischen hervor. »In diesem Tal werden Sie keinen finden, der irgendeine Sehnsucht oder gar eine Vision hat. Vielleicht noch den Ersten Bürgermeister. Aber der hat auch nur Visiönchen. Kongresshalle, Viersternehotel, Schwimmbadrenovierung. Mit so was Provinziellem hält der sich auf und will das im Windschatten der Olympischen Spiele hier erreichen, weil ihm die Sprungschanze als Denkmal noch nicht langt. Und weil er natürlich ohne neues Großereignis nichts mehr finanziert bekommt. Ein Tal voller Kleinkrämer wird halt von einem Oberkleinkrämer regiert. Stopp, ich will nicht ungerecht sein: von einem Großkrämer. Aber Krämer bleibt Krämer. Das ist halt so. Ist aber nicht mein Bier. Ich jedoch«, und er wandte sich Beifall heischend an Schneider, »ich werde dieses mein Werdenfelser Land auf
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