Josefibichl
mehr, wie es Leute vom Schlage seines Freundes Hansi Meier schafften, zu Bürgermeistern und womöglich noch zu weit Höherem zu werden. Ausschwärmen. So ein Depp.
Er selbst war nie der Typ für eine Parteikarriere gewesen, aber wenn man die Geschmeidigkeit aufbrachte, sich von jungen Jahren an in das Gefüge einzuordnen, wurde man offenbar früher oder später zwangsläufig nach oben gespült. Die wichtigste Eigenschaft war wohl, zu allem und jedem eine Meinung zu haben, es besser zu wissen als die Spezialisten und diese natürlich auch noch dumm aussehen zu lassen.
Ausschwärmen. Als wenn nicht sowieso jede verfügbare Einsatzkraft der PI Garmisch-Partenkirchen und der Kripo in Weilheim und sogar ein Ermittlerduo vom LKA in München hinter der Sache und vor allem dem Hartinger her wären. Vor Hartingers Wohnung in der Dreitorspitzstraße stand eine Streife, die anderen Kollegen durchsuchten immer wieder die einschlägigen Kneipen und stromerten durch den Ort, ob sich da jemand herumtrieb, auf den die Personenbeschreibung Hartingers passte, der ja ohnehin schon in hundert Metern Entfernung auffiel mit seiner massigen Gestalt.
An alle Hotels und Pensionen war ein Fahndungsfax rausgegangen. Irgendwann würde ihn jemand sehen, dann hatten sie ihn. Es war nur eine Frage der Zeit. Welche Impertinenz der besaß, sich hier in diesem Gebiet herumzutreiben. Oder war das krankhaft?
Bernbacher hielt erschrocken in seinen Gedanken inne. Wurde der Hartinger am Ende zum Wiederholungstäter? In psychotherapeutischer Behandlung war der ja. Würde er diese Nacht wieder zuschlagen? Trieben ihn die alten Geschichten dazu, sich wahllos an Kirchenmännern zu vergreifen? Oder gerade nicht wahllos, sondern recht ausgesucht an Garmisch-Partenkirchner Kirchenmännern? Hatte er schon früher gemordet, irgendwo anders, ohne dass es bisher aufgefallen war?
Dass da noch keiner draufgekommen war. Bernbacher musste das überprüfen. Er meldete sich mit einem kurzen Telefonat für den Abend und den Großteil der Nacht bei seiner Frau ab und warf den PC in seinem Büro an. Dann ging er die Listen der ungeklärten Todesfälle in Bayern der letzten Jahre durch. Doch bei den Vermisstenanzeigen deutete nichts auf einen Serienkiller hin, der sich auf Geistliche spezialisiert hatte. Das beruhigte ihn. Denn mit einem solchen Psychopathen wollte er es weiß Gott nicht zu tun haben.
Zugleich war ihm klar, dass er bisher immer noch kein richtiges Motiv wusste, warum der Hartinger ausgerechnet diesen jungen Mönch umgebracht haben sollte. Nun gut, das würde sich in der Vernehmung schon ergeben. Sicher würde der LKA-Schnösel die Verhöre allein führen wollen. Aber er, Ludwig Bernbacher, würde sich seine eigene Vernehmungszeit ausbedingen. Nach Stunden um Stunden strengen Verhörs würde er die Schale des harten Expolizeireporters knacken. So malte er sich die erfolgreiche Aufklärung des Falls bereits in schillerndsten Farben aus.
Der schönste dieser Gedanken war der an die abschließende Pressekonferenz, auf der er zwischen dem LKA-Hengst und dem Oberstaatsanwalt aus München sitzen würde mit seiner frisch aufgebügelten Uniform. »Hauptkommissar Bernbacher, wie haben Sie den Täter zum Reden gebracht?«, würden die Journalisten aus aller Welt fragen. Er würde dann in aller Bescheidenheit, sachlich und ruhig, von den kritischen Punkten der Vernehmung berichten und schildern, welche neuralgischen Punkte in der Aussage des Verdächtigen er immer wieder aus anderen Richtungen ins Visier genommen hatte, bis der Widerstand des gefährlichen Kirchenhassers und Mönchsmörders schließlich zusammengebrochen war und er ein Geständnis abgelegt hatte. Die Welt würde staunen, welche kriminalistischen Fähigkeiten in einem vermeintlichen Provinzpolizisten wie ihm schlummerten.
Klar, dass er sich damit für Höheres qualifizierte. Nicht, dass er unbedingt ein Fan dieser ganzen Olympiageschichte war. Aber wenn der Wahnsinn hier schon einmal ausbrechen und diese ganze viele Arbeit mit sich bringen sollte, dann wollte er auch die Leitung der Sicherheitskräfte vor Ort übernehmen. Ein schneller Erfolg in der Hartingersache war das beste Empfehlungsschreiben für ihn.
Während Ludwig Bernbacher in seinem Büro vor sich hin träumte, gingen in der Funkzentrale auf der anderen Seite des Korridors beständig Standortmeldungen der Streifen und Zivilfahnder aus dem ganzen Landkreis ein. Ein Hinweis auf Hartinger, geschweige denn eine Sichtung des Verdächtigen
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