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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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wolle. Vielleicht war ihr ein Bild zu peinlich, auf dem der große Václav Havel einen Schriftsteller umarmte, dessen eigene Premierministerin sich weigerte, ihn zu sehen. »Wie schade«, sagte Havel, »ich hätte das wirklich sehr gern getan.«
    Auf seiner Pressekonferenz aber hatte er viele Dinge gesagt. »Ich habe sie wissen lassen, dass wir in ständigem Kontakt stehen«, sagte er und lachte. »Stimmt ja vielleicht auch, durch Harold zum Beispiel. Aber in ständigem Kontakt habe ich gesagt. Und tiefverbundene Solidarität , davon habe ich auch geredet.«
    Er sagte Havel, wie gut ihm seine Briefe an Olga gefallen hatten, die vom gefeierten Dissidenten aus dem Gefängnis an seine Frau geschrieben wurden und ihm in seiner jetzigen Lage viel zu sagen hatten. »Wissen Sie«, erwiderte Havel, »als wir uns damals geschrieben haben, mussten wir in Rätseln sprechen, in einer Art Code. Da gibt es Abschnitte, die verstehe ich heute selbst nicht mehr, aber bald kommt ein viel besseres Buch heraus.« Havel wollte Kopien von ›Ist nichts heilig?‹ und ›In gutem Glauben‹. »In ständigem Kontakt«, schloss er mit erneutem Lachen und verabschiedete sich.
    Marianne stand am nächsten Tag immer noch auf Kriegsfuß mit ihm. »Du bist besessen von dem, was mit dir passiert«, fuhr sie ihn an, und ja, das mochte stimmen. »Jeder Tag deines Lebens ist ein Drama«, und ja, leider war das nur allzu oft der Fall. Er sei von sich besessen, schrie sie; mit ›Gleichheit‹ könne er nichts anfangen, außerdem sei er ein ›ekliger Säufer‹. Wo kommt das denn jetzt her , fragte er sich, und dann holte sie zum Schlag aus. »Du versuchst, die Ehe deiner Eltern zu wiederholen.« Er war also schuld am Alkoholmissbrauch seines Vaters. Ja, natürlich.
    Auf einer Konferenz junger Muslime in Bradford forderte unterdessen ein sechzehnjähriges Mädchen, dass man Rushdie steinigen solle. Die Medienberichte über die ›Affäre‹ waren ihm – zumindest für den Augenblick – eher wohlgesinnt und klangen fast mitleidvoll: ›Der arme Salman Rushdie.‹ – ›Dieser Pechvogel.‹ Er wollte aber kein Pechvogel, wollte nicht arm, bemitleidenswert und bloß ein Opfer sein. Hier ging es um wichtige intellektuelle, politische und moralische Fragen. Er wollte Partei im Streit nehmen, wollte Protagonist sein.
    *
    Andrew und Gillon kamen in der Hermitage Lane vorbei, nachdem sie Penguins Verlagschefs im Londoner Haus ihres Kollegen Brian Stone getroffen hatten, dem Agenten für den Nachlass von Agatha Christie. Sie waren ein formidables Verhandlungsteam, da sie ein so eigenartiges Paar abgaben: der großgewachsene, lässige Engländer mit der sonoren Stimme und der aggressive, kugelköpfige Amerikaner mit seinen Laserstrahlaugen und einer wechselvollen Vergangenheit am Rande der Warhol-Clique um die ›silver factory‹. Sie waren das klassische Duo ›harter Typ/weicher Typ‹ und wurden dadurch noch effektiver, dass die meisten Leute, mit denen sie verhandelten, fälschlich annahmen, dass Andrew der harte und Gillon der weiche Typ war. Dabei wurde Andrew von Leidenschaft und Gefühlen getrieben und konnte einen durchaus damit verblüffen, dass er urplötzlich in Tränen ausbrach; Gillon war der Killer.
    Selbst Gillon und Andrew aber fanden, dass es unmöglich war, mit Penguin zu verhandeln. Ihr letztes Treffen blieb erneut ergebnislos. Mayer sagte, Penguin wolle die Deadline Ende Juni für die Taschenbuchausgabe einhalten, wollte aber wieder kein Datum nennen. Man war einer Meinung mit Gillon und Andrew, dass man, würde das Buch nicht bis 30. Juni erscheinen, am 1. Juli die Rechte zurückfordern wollte, damit sie versuchen konnten, andere Vereinbarungen zu treffen. Gillon sagte: »Ich denke, Mayer wird diesem Vorschlag nicht abgeneigt sein.« (Vier Tage später rief Gillon an, um zu sagen, dass Mayer sich bereits ›halb mit dem Gedanken abgefunden‹ hatte, die Rechte zurückzugeben, doch wolle er verhandeln – mit anderen Worten, er wollte die Rechte nur gegen Geld zurückgeben. Trevor Glover hatte beim Treffen mit Andrew und Gillon jedoch gesagt, die Sicherheitskosten seien so hoch, dass Penguin mit der Veröffentlichung der gebundenen Ausgabe Verlust gemacht habe, und die Publikation des Taschenbuchs wäre ein »zusätzlicher Verlust«, weshalb Mayer nun schwerlich behaupten konnte, er benötige eine Entschädigung dafür, dass er etwas tun wollte – die Rechte an der Taschenbuchausgabe zurückgeben –, was ihm, wollte man Glover

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