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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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glauben, eigentlich Geld sparte. »Wir bleiben dran«, sagte Gillon. »Wenn Mayer am 1. Juli nicht veröffentlicht hat und weiterhin Geld haben will«, sagte er, »würde ich damit an die Öffentlichkeit gehen.«)
    Andrew vermutete, dass Penguin ihm nicht genügend Tantiemen bezahlte und eine große Summe einbehielt, die ihm eigentlich zustand. Penguin wies diese Anschuldigung aufgebracht von sich, doch schickte Andrew dem Verlag einen Rechnungsprüfer ins Haus, der tatsächlich feststellte, dass man ihm deutlich zu wenig bezahlt hatte. Penguin gab keine Entschuldigung.
    *
    Die Polizei riet zur Perücke. Ihr bester Perückenmacher kam und nahm eine Haarprobe mit. Er hatte große Zweifel, doch versicherten ihm mehrere Bodyguards, dass Perücken tatsächlich hilfreich waren. »Sie können über die Straße gehen, ohne die geringste Aufmerksamkeit zu erregen«, sagten sie. »Vertrauen Sie uns.« Von Michael Herr kam unvermutete Bestätigung. »Wenn man sich verkleidet, Salman, muss man nur wenig ändern«, sagte er bedächtig und blinzelte dabei rasch. »Nur die wesentlichen Merkmale.« Die Perücke wurde gemacht und ihm in einem braune Pappkarton geschickt; sie sah aus wie ein schlafendes Tier. Als er sie aufsetzte, kam er sich selten dämlich vor. Die Polizei fand, er sehe prima aus. »Okay«, sagte er zweifelnd. »Führen wir sie spazieren.« Sie parkten an der Sloane Street, unweit von Harvey Nichols. Als er ausstieg, drehten sich alle Köpfe zu ihm um, einige Leute grinsten breit oder fingen sogar an zu lachen. »Seht doch«, hörte er eine Männerstimme, »da ist dieses Arschloch Rushdie mit Perücke.« Er stieg wieder in den Jaguar und hat die Perücke nie mehr getragen.
    *
    Botschafter Maurice Busby war ein Mann, den es offiziell nicht gab. Als Amerikas Chef der Terrorismusbekämpfung durfte sein Name weder im Radio noch im Fernsehen genannt, in Zeitungen oder Zeitschriften nicht gedruckt werden. Über seine Tätigkeiten wurde nicht berichtet, und sein Aufenthaltsort blieb, um ein Adjektiv zu verwenden, dass Vizepräsident Cheney später berühmt machen sollte, stets ›undisclosed‹, also ungenannt. Er war der Geist in Amerikas Maschine.
    Um seinem Käfig für einige Wochen oder Monate zu entkom men, dachte ›Joseph Anton‹ daran, nach Amerika zu fliegen, sobald der Mietvertrag für das Haus in der Hermitage Lane auslief. Der Special Branch hatte von Anfang an gesagt, dass seine Verantwortung für ihn an der britischen Landesgrenze endete. Die Regeln besagten, wenn einer ihrer ›Kunden‹ das Vereinigte Königreich verließ, um in ein fremdes Land zu fahren, mussten die Sicherheitskräfte dieses Landes informiert werden, damit sie entscheiden konnten, was sie hinsichtlich seines Besuchs unternehmen wollten, falls sie denn überhaupt etwas unternehmen wollten. Als die Amerikaner von seiner Absicht in Kenntnis gesetzt wurden, bat Maurice Busby um ein Treffen. Es sollte die Begegnung eines nicht existierenden Mannes mit einem Unsichtbaren werden: als hätten Calvino und H. G. Wells beschlossen, gemeinsam eine Kurzgeschichte zu schreiben. Er wurde zu einem anonymen Bürogebäude am Südufer der Themse gebracht und in einen großen Raum geführt, der vollkommen leer war bis auf zwei Stühle mit gerader Lehne. Botschafter Busby und er saßen einander gegenüber, und der Amerikaner kam gleich zur Sache. Er sei in Amerika willkommen, sagte der Botschafter, und daran möge er bitte keinen Augenblick zweifeln. Amerika sympathisiere mit ihm, und er solle wissen, dass sein Fall »auf der US-Agenda vis-à-vis mit dem des Iran« stehe. Sein Wunsch, die Vereinigten Staaten zu besuchen, finde grundsätzlich Zustimmung, doch ließen die Vereinigten Staaten respektvoll fragen, ob er sich nicht entschließen könne, seine Reise noch »um drei bis vier Monate« zu verschieben. Botschafter Busby war ermächtigt worden, ihm mit der Bitte um größte Geheimhaltung anzuvertrauen, dass hinsichtlich der amerikanischen Geiseln im Libanon einiges in Bewegung geraten und es daher nicht unwahrscheinlich sei, dass sie bald freigelassen werden würden. Er hoffe, Mr Rushdie wisse die Brisanz der Situation zu würdigen. Mr Rushdie wusste. Er verbarg seine tiefe Enttäuschung und willigte in die Bitte des nicht existierenden Mannes ein. Bedrückt bat er Gillon, den Mietvertrag für die Hermitage Lane zu verlängern.
    Marianne war zu einer Lesereise nach Amerika geflogen. Er versuchte sich einzureden, dass sie sich immer noch liebten, und

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