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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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wusste, dass die Spaltung in ihm schlimmer wurde, die Kluft zwischen dem, was ›Rushdie‹ tun musste, und dem, wie ›Salman‹ leben wollte. Für seine Bodyguards war er ›Joe‹, eine Kreatur, die sie am Leben zu erhalten hatten, und in den Augen seiner Freunde, wenn er denn Gelegenheit bekam, sie zu sehen, sah er das Entsetzen, ihre Furcht, ›Salman‹ könne von der Last der Ereignisse erdrückt werden. ›Rushdie‹ dagegen war etwas ganz anderes, ›Rushdie‹ war ein Hund. ›Rushdie‹, so die privaten Kommentare bedeutender Persönlichkeiten, zu denen auch der Prinz von Wales zählte, der sich bei einem Mittagessen mit seinen Freunden Martin Amis und Clive James unterhielt, verdiene nur wenig Mitgefühl. ›Rushdie‹ verdiente, was ihm widerfuhr, und musste etwas tun, um den großen Schaden zu beheben, den er angerichtet hatte. ›Rushdie‹ musste aufhören, auf Taschenbuchausgaben zu bestehen, auf Prinzipien, auf Literatur und darauf, im Recht zu sein. ›Rushdie‹ wurde allseits gehasst und kaum geliebt. Er war ein Abziehbild, eine Abwesenheit, weniger als ein Mensch. Er – es – sollte nur noch büßen.
    Ruthie Rogers, Mitbesitzerin des Londoner River Café, richtete eine Geburtstagsparty für ihn aus. Ein Dutzend seiner engsten Freunde versammelte sich unter den wachsamen Augen der neun Mao -Siebdrucke von Andy Warhol im großen Wohnzimmer des Hauses Rogers in der Royal Avenue, einem strahlend hell erleuchteten Raum mit hohen, vorhanglosen Fenstern, der reinste Albtraum für die Leute vom Special Branch. Ruthie und ihr Mann, der Architekt Richard Rogers, waren vor der Fatwa kaum mehr als freundliche Bekannte gewesen, doch lag es in ihrer Natur, in schwierigen Zeiten zu Freunden zu halten und mehr zu tun, als erwartet wurde. Er war ein Mensch, der es brauchte, geherzt und umarmt zu werden, und an diesem Abend geschah das oft. Er freute sich, dass seine Freunde leidenschaftliche Umarmer und Küsser waren, doch sah er sein Abbild in ihren Augen und wusste, in welch schlechter Verfassung er sich befand.
    Er lernte die Grenzen der Sprache kennen, dabei hatte er stets an die Allmacht des Zungenschlags geglaubt. Worte würden ihn allerdings nicht aus diesem Schlamassel befreien. ›In gutem Glauben‹ und ›Ist nichts heilig?‹ hatten nichts geändert. Ein pakistanischer Freund, Omar Noman, wollte eine Gruppe von Leuten ›aus unserem Teil der Welt‹ zusammenbringen, um den Iranern zu erklären, dass sie es ›auf den falschen Mann‹ abgesehen hatten. Ein indischer Freund, der bekannte Anwalt Vijay Shankardass, meinte, indische Muslime könnten eine Rolle bei der Beendigung der Affäre spielen. Also nahm er es auf sich, mit einigen Führungspersönlichkeiten zu reden, darunter auch mit Syed Shahabuddin, dem es gelungen war, Die satanischen Verse in Indien zu verbieten, und mit Salman Khurshid, dem ›falschen Salman‹, den Imam Bukhari von der Jama Masjid in Delhi beim Freitagsgebet irrtümlich verdammt hatte.
    Er bezweifelte, dass Logik und Argumente, die Mittel der Sprachmenschen, viel bewirken konnten. Er kämpfte mit einer größeren – oder, um das Vokabular der Frommen zu benutzen, einer höheren Macht, mit einer, die Verachtung fürs bloß Rationale hegte und über eine Sprache verfügte, die weit über das Gerede sterblicher Menschen hinausging. Und ihr Gott war kein Gott der Liebe.
    *
    Er zog endgültig aus der Hermitage Lane aus und wurde mit Zafar zu Deborahs und Michaels Farm in Powys gefahren, wo sie ein kostbares Wochenende lang kickten, Kricket spielten und sich auf einem Feld eine Frisbeescheibe zuwarfen. Clarissa hatte das Wochenende für sich haben wollen, da sie wieder mit einem Mann ausging, der sich an diesem Wochenende aber von ihr trennte, weil er nicht bereit war, ihren Anteil der Fatwa-Folgen zu erdulden. Sie trug es mit Fassung. Er wünschte, sie könnte glücklich sein.
    Nach dem Wochenende zog er unbemerkt ins Haus in Wimbledon, doch dann gab es Probleme. Mrs Cindy Pasarell, die Besitzerin, rief mehrmals an und stellte neugierige Fragen. Zum Glück hatte Rachel Clooney Dienst, einer seiner weiblichen Bodyguards, und da eine weibliche Stimme beruhigender als die eines Mannes klang, konnte ihre Neugier ein wenig beschwichtigt werden. Dann meldete sich Mr Devon Pasarell, tat, als wüsste er nichts von Mrs Pasarells Anrufen, und sagte, er bräuchte etwas aus der Garage. Lebten sie getrennt? Am nächsten Tag stand eine ›Geschäftspartnerin‹ von Mrs Pasarell ohne

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