Joseph Anton
ersichtlichen Grund vor der Tür. Daraufhin rief Cindy Pasarell wieder an, klang diesmal aber ziemlich ernst. Sie wolle die neuen Mieter treffen, um sich zu überzeugen, dass sie wirklich ›geeignet‹ seien.
Er telefonierte mit Pauline und bat um Hilfe. Sie hatte schon viele Rollen gespielt, ob in Far from the Madding Crowd oder in The Young Ones , kannte sich mit Improvisation aus und würde bestimmt auch hiermit zurechtkommen. Er beschrieb kurz ihre Rolle, und sie willigte ein, einen Tag im Haus zu verbringen und sich der neugierigen Cindy zu stellen. Die Situation war ebenso absurd wie belastend. Er sagte Bob Major, er ertrüge das nicht länger, diese Verstellung und Heimlichtuerei. Irgendwas müsse sich ändern. Bob gab mitfühlende, unverbindliche Laute von sich. Er gehörte nur zu den Fußsoldaten. Solche Entscheidungen wurden nicht von ihm gefällt.
Im Verlauf der nächsten zwei Tage kam Mr Pasarell erneut ohne Vorwarnung vorbei, um »was aus der Garage zu holen«, dann wieder , »um den Garagenschlüssel in den Briefkasten zu werfen«. Rachel Clooney, eine hochgewachsene, elegante Blondine mit sanfter schottischer Säuselstimme, sprach freundlich auf ihn ein, doch blieb er noch lange in seinem schwarzen Granada vor dem Haus sitzen und beobachtete das Anwesen. In einem Versuch, die Lage zu entschärfen, rief Pauline, als Frau des Hauses, Mrs Pasarell an und lud sie zum Tee ein, doch obwohl sie die Einladung annahm, kam sie nicht; stattdessen setzten beide Pasarells einen Brief an Gillons Büro auf, in dem sie sich über die ›Mehrfachbelegung‹ ihres Hauses beschwerten. Ihn lähmte die Furcht, entdeckt zu werden. Würde es wieder wie in Little Bardfield werden, würde er aufs Neue sofort ausziehen und die Miete verlieren, die er bereits bezahlt hatte und laut Vertrag noch zahlen musste?
Gillon sollte schließlich das Problem lösen. »Ist ja lächerlich, wie die sich aufführen«, sagte er ebenso hochmütig wie verächtlich. »Die kriegen einen Haufen Geld von dir. Höchste Zeit, ihnen einen kleinen Dämpfer zu verpassen. Überlass das nur mir, mein Lieber.« Er faxte ihnen einen – wie er sich ausdrückte – ›Verpisst-euch‹-Brief. Bald darauf rief er an und gluckste vergnügt. »Mein Lieber, ich schätze, es hat funktioniert. Sie haben zurückgefaxt und sind einverstanden, sich zu verpissen.« In Anbetracht der enormen Miete, die sie für ihr Haus kassierten, waren die Pasarells tatsächlich bereit, ihre Mieter künftig in Ruhe zu lassen. Vermutlich haben sie sich sogar entschuldigt. Danach gaben sie mehrere Monate lang Ruhe.
Nadine Gordimer sammelte die Unterschriften prominenter Europäer für einen ›Appell an die Regierung Irans‹. Im Haus der Pinters aß er mit Carlos und Silvia Fuentes zu Abend, und der große mexikanische Romancier erbot sich, zu seiner Unterstützung ›lateinamerikanische Staatsoberhäupter zusammenzutrommeln‹. Unterdessen fuhr der Gartenzwerg Siddiqui fort, unangenehme Zwergenäußerungen von sich zu geben, die mit lauteren Stimmen von den größeren Zwergen in Ghom und Teheran wiederholt wurden. Nahe der Stadt Rasht hatte es ein gewaltiges Erdbeben gegeben und vierzigtausend Menschen waren gestorben, eine halbe Million blieben obdachlos, doch auch das konnte das Thema nicht ändern. Die Fatwa blieb.
Zafar fuhr für drei Wochen fort, erst mit zwei Schulfreunden in ein Ferienlager, danach nahmen ihn Clarissa, Liz Calder, Louis Baum und Louis’ Sohn Simon mit nach Frankreich. Während seiner Abwesenheit bekam er es mit pakistanischen Guerillas zu tun.
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Der pakistanische Film International Gorillay (Internationale Guerillas), produziert von Sajjad Gul, erzählt die Geschichte einer Gruppe von Lokalmatadoren – jener Sorte, die man später einmal Dschihadisten oder Terroristen nennen sollte –, die sich schworen, einen Autor namens ›Salman Rushdie‹ aufzuspüren und zu ermorden. Die Suche nach ›Rushdie‹ bildete die Haupthandlung des Films, und sein Tod war das Happyend des Films.
›Rushdie‹ selbst war ein Sadist und Säufer, der ständig an einer Schnapsflasche nuckelte. Er wohnte allem Anschein nach in einem Palast, der allem Anschein nach auf einer philippinischen Insel stand (zweifellos besaßen alle Schriftsteller solche Ferienhäuser), und wurde allem Anschein nach von Soldaten der israelischen Armee beschützt (vermutlich ein Service, den Israel allen Schriftstellern anbot), und er plante den Sturz Pakistans mit solch teuflischen Mitteln wie
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