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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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Mietparteien im Random-House-Gebäude gehörte und die Lage für die Norweger durch die Ankündigung eines neuen Romans von Rushdie zu gefährlich werden könnte. Deshalb sollte ein falscher Name verwandt und erst im letzten Moment, kurz vor Drucklegung, durch den richtigen Namen ersetzt werden. Das war unmöglich. Das sah nach ängstlichem Verhalten aus – nein, das war ängstliches Verhalten –, und wenn publik wurde, wozu es fraglos kommen würde, dass Random House sich fürchtete, den Namen des Autors zu nennen, würde dies dem Buch eine ›kontroverse‹ Aura verleihen, noch ehe es überhaupt jemand gesehen hatte, was einer Aufforderung an die Gegner des Autors zu neuen Auseinandersetzungen gleichkam.
    Aus indischen Zeitschriften und Zeitungen schickte Sonny Ausschnitte über Kaschmir an Andrews Büro, um seine Bedenken zu verdeutlichen. In Harun gibt es eine Figur namens Butt, und vor kurzem war in Kaschmir ein Mann namens Butt gehängt worden, »was Salman gewusst haben dürfte«. Nun gehört ›Butt‹, der Mädchenname seiner Mutter, den man ›Butt‹ oder ›Bhatt‹ buchstabieren kann, zu den häufigsten Namen Kaschmirs, und ›Butt‹, in Harun nicht der Name eines Gehängten, sondern eines genialen Busfahrers sowie eines riesigen künstlichen Wiedehopfs, sollte nun ein politisch hochexplosiver Name geworden sein? Das war absurd, aber Sonny meinte es todernst. Andrew deutete an, dass er sich nicht gerade wie ein alter Freund von Salman benehme, doch gab Sonny zurück: »Ich wüsste nicht, was das mit Freundschaft zu tun hätte«, um dann hinzuzufügen: »Niemand, Andrew, versteht dieses Buch so gut wie ich.« Mit bewundernswerter Zurückhaltung erwiderte Andrew: »Ich fürchte, Salman würde dir da widersprechen.«
    All dies berichtete ihm Andrew aus New York, noch während er auf der Straße stand, nachdem er unmittelbar zuvor Sonnys Büro verlassen hatte. Er sagte Andrew: »Bitte, geh noch einmal nach oben und gib ihn mir.« Als Sonny am Apparat war, sagte er, er sei überzeugt, dass sie das Missverständnis aus dem Weg räumen könnten, wenn er nur nach London flöge und mit ihm persönlich darüber spreche. Dafür aber waren die Dinge bereits zu weit gediehen.
    »Ich brauche von dir nur die Antwort auf eine Frage, Sonny«, sagte er. »Wirst du meinen Roman veröffentlichen, wie ich ihn geschrieben habe – ja oder nein?«
    »Lass mich nach London fliegen, und wir reden darüber«, antwortete Sonny.
    »Es gibt nichts weiter zu bereden«, sagte er. »Wirst du das Buch veröffentlichen, wie ich es geschrieben habe, das ist die einzige Frage.«
    »Nein, werde ich nicht.«
    »Dann«, sagte er seinem alten Freund, »zerreiß bitte den Vertrag auf deinem Schreibtisch.«
    »Okay, wenn es das ist, was du willst.«
    »Das ist nicht, was ich will«, sagte er. »Ich will, dass mein Buch veröffentlicht wird, nicht irgendein verdammtes Buch, das du in deinem Kopf mit dir herumträgst.«
    »Okay«, sagte er, »dann zerreiße ich den Vertrag.«
    Hinterher erfuhr er, dass es einige Zeit zuvor ein Vorstandstreffen von Random House UK gegeben hatte, bei dem die Frage der Publikation von Harun auf der Tagesordnung stand. Die Abstimmung war deutlich zu seinen Ungunsten ausgegangen.
    *
    In einem anderen Universum brach die Zeit der Fußballweltmeisterschaft an. Bill Buford, der seit einiger Zeit an einem Buch über Hooligans schrieb, flog nach Sardinien zur Partie England gegen Holland, allerdings nicht wegen des Spiels, sondern weil er auf keinen Fall die anschließende Randale zwischen den verfeindeten Gangs verpassen wollte. An jenem Tag war die Gewalt in Sardinien das Topthema der Abendnachrichten. Man sah eine Armee britischer Fußballfans, wie sie auf die Kamera zustürmten, Fäuste und Knüppel schwenkten und dabei ›England!‹ grölten. Mittenmang in der ersten Reihe der britischen Rowdys schrie und randalierte der Herausgeber der Zeitschrift Granta und führte die partizipierende Teilnahme des New Journalism zu Höhen, die weder George Plimpton noch Tom Wolfe wohl je vorhergeahnt hatten. Später am Abend griff die italienische Polizei dann britische ›Fans‹ an, von denen viele böse zusammengeschlagen wurden, darunter auch Bill, den man mehrfach in die Nieren trat, während er wie ein Fötus zusammengerollt auf dem Gehweg lag. Trotz seiner Verletzungen nahm er sich, kaum war er wieder in London, der literarischen Karriere seines Freundes an.
    Harun suchte einen Verlag. Liz Calder sagte, Bloomsbury wolle

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