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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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informieren.«
    Er war in die verhängnisvolle Falle getappt, geliebt werden zu wollen, womit er sich selbst geschwächt und zum Narren gemacht hatte. Nun würde er den Preis dafür zahlen müssen.

V
    »Been Down So Long It Looks Like Up to Me«

E S WAR ELIZABETHS GEBURTSTAG, und er kochte für sie ein indisches Gericht. Gillon, Bill, Pauline und Jane Wellesley kamen zu ihrem kleinen Fest nach Wimbledon. Er wollte, dass es für Elizabeth ein ganz besonderer Abend wurde. Sie gab ihm so viel, und er konnte ihr nur so wenig zurückgeben, aber wenigstens konnte er dieses Mahl für sie kochen. Er sagte niemandem, was ihm Greenup erzählt hatte. Dafür würde an einem anderen Tag noch Zeit genug sein. Dieser Tag aber, der neunte Januar, sollte allein für die Frau sein, die er liebte. Sie waren jetzt seit fünf Monaten zusammen.
    Nach ihrem Geburtstag wurde er krank. Mehrere Tage lang litt er unter hohem Fieber und musste das Bett hüten. Während er dort schwitzend und zitternd lag, schienen ihm die privaten wie öffentlichen Nachrichten Teil seiner Krankheit zu sein. Andrews Assistentin Susan hatte mit Marianne gesprochen, die sagte, dass es ihr gutgehe, was zweifellos stimmte, doch kümmerte ihn das im Augenblick nicht sonderlich. Die Polizei ließ ihn wissen, dass seine Aktivitäten aufgrund der ›spezifischen Bedrohung‹ weiter eingeschränkt werden müssten. Man hatte ihn gebeten, in diversen Fernsehsendungen aufzutreten, so bei Wogan und in Question Time , doch konnte das nicht ›erlaubt‹ werden. Er wurde gefragt, ob er vor einer Gruppe von Parlamentariern aus dem Unterhaus sprechen würde, doch wollte ihn die Polizei nicht zum Palast von Westminster bringen. Einige private Abende im Haus von Freunden könne man gestatten, mehr aber auch nicht. Er wusste, er sollte sich nicht einfach damit abfinden, fühlte sich jedoch zu schwach, um dagegen zu protestieren. Spät am Abend, als er noch fiebernd im Bett lag, brachte das Fernsehen die Nachricht vom Beginn des Golfkriegs, von der gewaltigen Luftattacke auf den Irak. Dann griff der Irak Israel mit Scud-Raketen an, die wundersamerweise niemanden töteten und zum Glück nicht mit chemischen Sprengköpfen bestückt waren. Schlafend und fiebernd verbrachte er die Tage in einem Halbdelirium, Bilder von zielgenauen Bombardements im Kopf. Es gab Telefonanrufe, manche wurden beantwortet, manche nicht, dazu viele schlechte Träume, und vor allem die anhaltende Qual wegen seiner Erklärung, er sei ›Muslim geworden‹. Sameen kam damit nur schwer zurecht, und einige der Anrufe waren von ihr. Zwei Jahre lang hatte er sich auf einem Weg befunden, der ins Herz der Finsternis führte, und nun war er dort angekommen, in der Hölle. Seine Freunde hatte er vor den Kopf gestoßen und sich lächelnd an die Seite derer gestellt, die ihn diffamierten, die Menschen bedrohten und in den Chor der vom Iran erhobenen Mordaufrufe einstimmten, in das, was etwa Iqbal Sacranie die ›Strafe Gottes‹ nannte. Der ›Intellektuelle‹ Tariq Modood schrieb ihm in einem Brief, er solle nicht länger von der Fatwa reden, »Muslime finden das widerwärtig«. Der Westen hatte die Fatwa benutzt, um Muslime zu verteufeln, also wäre es seinerseits ›widerwärtig‹, wenn er dagegen noch länger Einwände erhöbe. Dieser Modood bezeichnete sich selbst als moderat; angesichts solcher Scheinheiligkeit fiel es ihm allerdings schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Das waren die Leute, die er nicht länger zur Rede stellen konnte, da er sich die Zunge herausgerissen hatte. Ein weiterer ›moderater‹ Mann, Akbar Ahmed, rief an, um ihm zu sagen, dass die ›Hardliner‹ langsam umschwenkten, doch müsse er ›äußerst verständnisvoll‹ sein, ein › sadha (einfacher, schlichter) Muslim‹. Er erwiderte, er könne nur ein begrenztes Maß an Scheiße verdauen.
    Lieber Gott,
    falls Du existierst und so bist, wie man Dich beschreibt, also allwissend, allgegenwärtig und vor allem auch allmächtig, kriegst Du auf Deinem himmlischen Thron wohl kaum das große Fracksausen, bloß weil Du es mit einem Buch und dessen Schreiberling zu tun hast. Die großen muslimischen Philosophen waren sich oft uneins über die Natur Deiner Beziehung zu den Menschen und ihrem Treiben. Ibn Sina (Avicenna) behauptete, dass Du, der Du hoch über dieser Welt stehst, nur in sehr allgemeiner Weise und in abstrakten Begriffen über sie Bescheid weißt. Ghazali widersprach. Jeder ›für den Islam akzeptable Gott‹ kenne detailliert

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