Joseph Anton
der Rat von Freunden schützen.«
Er musste für eine Weile irgendwohin verschwinden, um in Ruhe nachzudenken. Also bat er darum, heimlich einen kurzen Urlaub in Frankreich machen zu dürfen, aber die Franzosen wollten ihn nicht in ihrem Land haben. Die Amerikaner zögerten noch, ihn in ihrem willkommen zu heißen. Es fand sich kein Ausweg aus dem Verlies. Eine gute Neuigkeit aber gab es. Man hielt die ›spezifische Bedrohung‹ gegen ihn nun für ein Hirngespinst. Mr Greenup kam selbst, um es ihm zu sagen und ihn zu warnen, dass die Bedrohung immer noch sehr hoch sei – »gewisse, vom Iran unterstützte Elemente suchen weiterhin aktiv nach Ihnen« –, aber auch, um ihm einen Knochen hinzuwerfen. Er könne bald anfangen, nach einem neuen Haus zu suchen, in dem er langfristig bleiben dürfe. »Vielleicht können wir schon in wenigen Monaten optimistischere Aussagen treffen.« Das munterte ihn ein wenig auf.
Gillon rief am 15. Februar an. Die Fatwa war erneuert worden. Die britische Regierung schwieg weiterhin.
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Bill Buford und Alicja hatten beschlossen zu heiraten, und Bill bat ihn, Trauzeuge zu sein. Der Empfang sollte im Midsummer House-Restaurant auf dem Midsummer Common in Cambridge stattfinden. Phil Pitt fuhr hin, um ›die Lage zu peilen‹, und fand das Restaurant ungeeignet, ohne mit Bill oder mit Hans, dem Besitzer, zuvor auch nur geredet zu haben. Zum ersten Mal platzte ihm vor den Beamten der Kragen, und er sagte, es sei nicht an ihnen, zu entscheiden, ob er bei der Hochzeit seines besten Freundes Trauzeuge sein würde oder nicht. Daraufhin redete Phil mit Bill und stellte fest, dass er falschen Informationen aufgesessen war – die falsche Zeit, der falsche Saal –, weshalb er den Ort nun plötzlich doch geeignet fand. »Wir sind die Experten, Joe«, sagte er. »Vertrauen Sie uns.«
Nigellas Schwester Thomasina hatte Brustkrebs. Sie war bereits einmal operiert worden. Ein Teil ihrer Brust wurde entfernt. Die Bestrahlung folgte später. Er hörte Marianne auf BBC Radio Vier, wie sie behauptete, ihn zu lieben, doch sei er von der ›Situation‹ derart besessen, dass es für nichts anderes Raum gebe, und dies sei auch der Grund, warum sie sich getrennt hätten. Sie beschrieb sich selbst als ›brillante Frau‹. Auf die Frage, wie sie denn nun zurechtkomme, antwortete sie: »Ich erfinde mir mein Leben jeden Tag aufs Neue.«
Die Fatwa zerstörte mehr als nur ein Leben. Paddy Heazell, der Direktor von Hall School, machte sich um Zafar Sorgen. »Es ist, als wäre er von einer Mauer umgeben. Nichts dringt zu ihm durch.« Vielleicht wäre es eine gute Idee, einen Psychiater im Great Ormond Street Hospital aufzusuchen. Er sei ein aufgeweckter, lieber Junge, aber irgendwas in ihm schien zu schlafen. Er sei in sich verschlossen und halte sich für einen ›Versager‹. Man kam überein, dass Zafar einmal wöchentlich nach der Schule zu einer Psychiaterin gehen solle. Was Zafars Chancen betreffe, auf die weiterführende Schule ihrer Wahl gehen zu können, wusste Mr Heazell sie allerdings zu beruhigen, da Highgate daran gelegen war, künftige Schüler im Gespräch kennenzulernen, und sich nicht allein auf die Resultate der Aufnahmeprüfung verließ. »In einem direkten Gespräch wird Zafar immer gut abschneiden«, sagte Mr Heazell, betonte aber, dass sie ihn irgendwie aus diesem dunklen Loch herausholen mussten. »Er ist wie in einem Kerker«, sagte Mr Heazell zu Clarissa, »aus dem er nicht herauskommen will.« An jenem Wochenende besorgte Clarissa ihrem Jungen einen Hund, einen Border Collie, einen roten Settermix namens Bruno. Der Hund war wichtig und half. Zafar war begeistert.
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Er hatte das Rauchen erneut aufgegeben, doch wurde sein Entschluss auf die Probe gestellt. Man berichtete ihm von neuen Sicherheitsvorkehrungen. Seit einiger Zeit bereits wurde die Post von einem Mitglied seines Teams aus Gillons Büro abgeholt, jetzt sollte sie wieder über Scotland Yard zu ihm kommen, da man es zu riskant fand, sie direkt von der Agentur nach Wimbledon bringen zu lassen. Außer dem installierte man an seinem Telefon eine ›doppelte Umleitung‹, die es schwerer machen sollte, Anrufe zurückzuverfolgen. Ihm kam es vor, als würde sein Spielraum wieder eingeengt, nur kannte er den Grund dafür nicht. Dann kam Mr Greenup, um ihm den Grund zu nennen. Ein ›Profi-Team‹ hatte den Auftrag erhalten, ihn zu töten. Große Geldsummen waren im Spiel. Die Person im Hintergrund war ein ›Regierungsbeamter des Iran
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