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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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war. Das Fest war einer der Höhepunkte des Osloer Sommers, zahlreiche bekannte norwegische Schriftsteller und führende Köpfe aus Wirtschaft und Politik nahmen daran teil. »Du musst einfach kommen«, sagte William. »Im Garten! Mit über tausend Leuten! Es wird fantastisch. Eine Freiheitsbekundung.« William war eine cha rismatische Persönlichkeit: Er war ein phänomenaler Skiläufer, sah blendend aus, entstammte einer der ältesten norwegischen Familien und leitete den bedeutendsten Verlag des Landes. Und er hielt, was er versprach; der Besuch in Norwegen war ein Erfolg. Beim Gartenfest im Drammensveien wurde er von William Nygaard durch die Menge geführt und traf sozusagen › tout Oslo‹. William berichtete ihm später, die Reaktion auf seinen Besuch sei enorm gewesen.
    Diese Reise machte William zu seinem ›sichtbarsten‹ europäischen Verleger. Damals ahnte noch niemand, dass das Engagement für sei nen Autor ihn in Lebensgefahr brachte. Vierzehn Monate später klopfte der Terror an Williams Tür.
    *
    In London hatte der kulturpolitische Sprecher der Labour-Partei, Mark Fisher, eine Pressekonferenz mit Labour- und Tory-Abgeordneten im Unterhaus organisiert, und zum ersten Mal schenkte man ihm im Westminster-Palast wohlwollend Gehör. Einen Missklang gab es allerdings doch. Der ultrarechte Konservative Rupert Allason stand auf und sagte: »Ich möchte nicht, dass Sie meine Gegenwart fälschlicherweise als Unterstützung interpretieren. Ihre Verleger sagen, Sie hätten sie über Ihr Buch im Unklaren gelassen und Ihre Absichten verschleiert. Es sollten keine öffentlichen Gelder auf Ihren Schutz verwendet werden.« Diese miese kleine Attacke erschütterte ihn weniger, als sie es früher getan hätte. Er hoffte nicht mehr darauf, von allen ge liebt zu werden; er wusste, dass er, egal, wohin er ging, Feinden und Freunden begegnen würde. Und nicht alle Gegner kamen von rechts. Gerald Kaufman, der Labour-Abgeordnete, der mit seiner Abneigung gegen Mr Rushdies Geschreibsel nicht hinter dem Berg gehalten hatte, ging seinen Labour-Genossen Mark Fisher scharf dafür an, ihn ins Unterhaus eingeladen zu haben. (Der iranische Majlis stimmte mit Kaufman überein, die Einladung sei ›schändlich‹ gewesen.) Es sollten noch mehr Kaufmans und Allasons kommen. Dennoch galt es, die Sache voranzubringen.
    Im Außenministerium redete er mit David Gore-Booth und befragte ihn zu den Gerüchten, die britische Regierung sei gegen seine neue massive Offensive und ziehe heimlich die Strippen, um sie zu sabotieren. Gore-Booth wahrte ein perfektes Pokerface und dementierte die Gerüchte, ohne mit der Wimper zu zucken. »Die Regierung Ihrer Majestät unterstützt Ihre Treffen mit anderen Regierungen.« Er bot an, seine Beziehungen zur Polizei spielen zu lassen, damit die Sicherheitskräfte der von ihm bereisten Länder nicht ›über die Stränge schlagen‹. Es war schwer zu sagen, was man glauben sollte. Vielleicht würde es ihm allmählich gelingen, die Regierung mitzuziehen.
    *
    Die Universität Complutense Madrid hatte ihn zu einem Gespräch mit Mario Vargas Llosa in den Escorial-Palast eingeladen. Er nahm Elizabeth und Zafar mit, mit denen er vor der Konferenz drei friedliche Tage in Segovia verbrachte. Weil sich die spanische Polizei diskret im Hintergrund hielt, konnte er durch die Straßen dieser wunderschönen kleinen Stadt flanieren, in den Restaurants sitzen und sich fast wie ein freier Mann fühlen. In Ávila aß er mit Mario und dessen Frau Patricia zu Mittag. Es waren kostbare Stunden. Im Escorial ließ der Rektor der Complutense-Universität, Gustavo Villapalos, ihn wissen, er habe hervorragende Beziehungen in den Iran und würde gern vermitteln. Khomeini habe ihn einmal einen ›sehr heiligen Mann‹ genannt. Dieses Vermittlungsangebot erwies sich als ebenso müßig wie alle anderen. Mit Entsetzen las er Villapalos’ Behauptung in der spanischen Presse, zugunsten einer Schlichtung habe er sich bereit erklärt, ›beleidigende‹ Passagen in Die satanischen Verse abzuwandeln oder zu streichen. Nach seinem vehementen Dementi war Villapalos nicht mehr zu sprechen, und der Kontakt brach ab.
    Du musst auf allen Bahnsteigen stehen , hatte Giandomenico Picco gesagt, damit du da bist, wenn der Zug kommt. Aber bei einigen Bahnsteigen fehlten die Gleise. Man konnte einfach nur dastehen, nichts weiter.
    *
    Schon bei ihrer Landung in Denver war klar, dass alles in ein Fiasko münden würde. Die örtliche Polizei führte sich

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