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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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die britische Regierung nahmen zu ihren Drohungen Stellung. Douglas Hurd und sein Vize Douglas Hogg fanden in Straßburg und Genf klare Worte und bezeichneten den Rushdie-Fall als ›eine Menschenrechtsfrage von höchster Priorität‹. In Norwegen hatte man ein Ölabkommen mit dem Iran auf Eis gelegt; eine milliardenschwere Kreditzusage Kanadas an den Iran war ebenso eingefroren worden. Und er befand sich an einem ungewöhnlichen Ort: Er stand auf der Kanzel der King’s College Chapel und hielt seine Predigt – oder besser seine Rede, schließlich war er kein Gottesmann.
    Der Dekan warnte ihn wegen des Echos. »Nach ein paar Worten müssen Sie immer wieder Pausen einlegen, sonst kann man Sie nicht verstehen«, sagte er. Es war, als hätte man ihn in ein Geheimnis eingeweiht. Deshalb klangen Predigten so. »Hier zu stehen – erinnert an das – was das Schönste – am Glauben ist«, hob er an. Ich klinge wie ein Erzbischof , dachte er. Er fuhr fort, sprach im Haus Gottes über die Tugenden des Weltlichen und beklagte den Verlust derer, die für das Gute gekämpft hatten – Faradsch Fouda in Ägypten und nun der bekannteste türkische Journalist U ˘ g ur Mumcu, der durch eine Autobombe ums Leben gekommen war. Die Rücksichtslosigkeit des Göttlichen machte ihr Streben nach Tugend hinfällig. »So wie man die King’s Chapel – als Symbol – dessen sehen kann – was das Beste – an der Religion ist«, sprach er in schönster kirchlicher Betonung, »so ist die Fatwa – zum Symbol – dessen geworden – was das Schlechteste – an ihr ist. Man könnte – Khomeinis Fatwaselbst – als eine Sammlung – moderner satanischer Verse ansehen. Auch in der Fatwa (schon wieder) – erscheint das Böse – im Gewand der Tugend – und die Gläubigen – werden – getäuscht.«
    *
    Am 26. Februar 1993 verübte eine Gruppe unter der Führung des Kuwaiters Ramzi Yousef einen Bombenanschlag auf das World Trade Center. Sechs Menschen starben, über tausend wurden verletzt, doch die Türme hielten stand.
    *
    Freunde sagten ihm, die Kampagne zeige durchschlagende Wirkung, er mache seine Sache sehr gut, doch allzu oft überkam ihn das, was Winston Churchill als den ›schwarzen Hund der Depression‹ bezeichnet hatte. Draußen in der Welt konnte er kämpfen, er hatte sich beigebracht, zu tun, was er tun musste. Doch wenn er nach Hause kam, fiel er oft in sich zusammen und Elizabeth musste die Scherben aufsammeln. David Gore-Booth erzählte ihm, das Auswärtige Amt habe mit British Airways geredet, doch die Fluglinie weigere sich standhaft, ihn zu befördern. Tom Phillips hatte sein Porträt von Mr Quietschvergnügt vollendet, und als er es aufhängen wollte und seine Werkzeugkiste nicht fand, bekam er einen solchen Wutanfall, dass Elizabeth in Tränen ausbrach. Sie sagte ihm auch, es sei wahnsinnig, den Schutz aufzukündigen, in einem unbewachten Haus würde sie nicht mit ihm leben. Wenn er seinen Bodyguards den Laufpass gab, könne er allein dort wohnen.
    Danach nahm er mehr Rücksicht auf ihre Gefühle. Sie war eine couragierte, liebvolle Frau, er konnte sich glücklich schätzen, sie an seiner Seite zu haben, und würde nicht zulassen, dass er alles kaputt machte. Er beschloss, die Finger ganz vom Alkohol zu lassen, und obgleich ihm das nicht völlig gelang, wichen die exzessiven Nächte der Mäßigung. Er würde Mariannes Fluch nicht wahrmachen und sich nicht in seinen Alkoholikervater verwandeln. Er weigerte sich, Elizabeth zur Doppelgängerin seiner leidgeprüften Mutter zu machen.
    *
    Doris Lessing schrieb ihre Memoiren und rief an, um mit ihm darüber zu sprechen. Der Rousseau’sche Weg sei der einzig gangbare, meinte sie; man müsse einfach die Wahrheit sagen, und zwar so viel wie möglich – was einen allerdings nicht davor bewahre, damit zu hadern. »Du musst wissen, Salman, damals war ich eine ziemlich gut aussehende Frau, und dir mag vielleicht nicht ganz klar sein, was das mit sich bringt. Die Leute, mit denen ich ein Verhältnis hatte oder fast gehabt hätte … viele davon waren sehr bekannt und einige leben noch. Ich denke an Rousseau und hoffe, dass dies ein emotional ehrliches Buch wird«, fuhr sie fort, »aber ist es fair, bezüglich der Gefühle anderer ehrlich zu sein?« Die echten Schwierigkeiten begännen allerdings erst in Band zwei. Noch arbeite sie am ersten Teil, die darin vorkommenden Personen seien entweder tot oder ›abgestumpft‹. Unter großem Gekicher machte sie sich wieder ans Schreiben

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