Joseph Anton
unserer Entschlossenheit, die Freiheit zu verteidigen, oder wir tun es nicht. Wenn ja, dann hoffe ich, dass John Major sich in allernächster Zeit entschließt, wie versprochen öffentlich Stellung zu beziehen. Ich würde sehr gern mit ihm erörtern, wie der Druck auf den Iran verstärkt werden kann – in der Europäischen Kommission, über das Commonwealth und die UNO , beim Internationalen Gerichtshof. Der Iran braucht uns mehr, als wir den Iran brauchen. Statt ins Zittern zu geraten, wenn die Mullahs mit dem Abbruch der Handelsbeziehungen drohen, sollten vielmehr wir diejenigen sein, die an den wirtschaftlichen Schrauben drehen. In meinen Gesprächen überall in Europa und in Nordamerika habe ich festgestellt, dass durch alle Parteien hindurch ein breites Interesse an einer Kreditsperre für den Iran als einem ersten Schritt besteht. Doch alle warten darauf, dass die britische Regierung die Führung übernimmt. In der Times von heute aber schreibt Bernard Levin, dass sage und schreibe zwei Drittel der Tory-Abgeordneten entzückt wären, wenn es iranischen Mördern gelänge, mich umzubringen. Sollten diese Abgeordneten tatsächlich die Nation vertreten – sollten wir für unsere Freiheiten nur ein Achselzucken übrighaben –, dann sei’s drum: Hebt meine Bewachung auf, gebt meinen Aufenthaltsort bekannt und lasst die Kugeln kommen. Ob so oder so – wir müssen uns entscheiden.
Das lange verschobene Treffen mit John Major fand schließlich am 11. Mai in dessen Büro im House of Commons statt. Ehe er hin ging, hatte er mit Nigella Lawson geredet, und ihre Besonnenheit war eine große Hilfe. »Er kann dir seine Rückendeckung nicht verweigern«, meinte sie. »Die schlechte Wirtschaftslage ist dein Vorteil, denn wenn er keinerlei wirtschaftliche Erfolge vorweisen kann, muss er mit Moral punkten.« Außerdem hatte sie gute Neuigkeiten: Sie war schwanger. Er erzählte es Elizabeth, die sich selbst ein Kind wünschte. Doch wie konnten sie einem Kind diesen Albtraum, diesen Haus arrest zumuten? Und dann war da noch die Sache mit dem translo zierten Chromosom, das eine Schwangerschaft zum russischen Roulette machte. Für einen Mann, der drauf und dran war, den Premierminister um Hilfe für Leib und Leben zu bitten, war ein Baby keine besonders schlaue Idee.
Der Premierminister hatte nicht sein typisches Allerweltslächeln aufgesetzt und redete nicht über Kricket. Er wirkte zugeknöpft, geradezu defensiv, wie ein Mann, der wusste, dass er um etwas gebeten wird, das ihm womöglich gegen den Strich ging. Fotos von diesem Treffen lehnte er kategorisch ab, um die »Reaktion des Iran und die seiner eigenen Hinterbänkler möglichst klein zu halten«. Kein sonderlich vielversprechender Auftakt.
»Ich möchte Ihnen für die vier Jahre Schutz danken«, sagte er zu Major. »Ich bin den Leuten, die sich um mich kümmern und ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen, unendlich dankbar.« Major war perplex. Das war nicht der Rushdie, den er erwartet hatte und den die Daily Mail als »schlecht erzogen, muffig, plump, dämlich, bärbeißig, unattraktiv, engstirnig und egozentrisch« beschrieb. Es stand dem Premier geradezu auf der Stirn geschrieben, dass er die Daily Mail im Kopf hatte. (Sie hatte einen Leitartikel gegen diese Begegnung veröffentlicht.) »Vielleicht sollten Sie so etwas öfter sagen«, entgegnete er, »in der Öffentlichkeit, um das Bild, das die Menschen von Ihnen haben, geradezurücken.« – »Herr Premierminister, das sage ich jedes Mal, wenn ich mit einem Journalisten spreche.« Major nickte zögernd, wirkte jedoch entspannter und zugänglicher. Von dem Moment an lief das Treffen gut. Es war nicht das erste und nicht das letzte Mal, dass sein Gegenüber, nachdem die Boulevardpressen-Rushdie-Karikatur aus dessen Kopf verbannt war, feststellte, dass er im Grunde ein recht umgänglicher Typ war. »Sie haben zugenommen«, sagte Major plötzlich. »Vielen Dank, Herr Premierminister.« – »Sie sollten meinen Job machen«, erwiderte der Premier, »dann sind Sie das in null Komma nichts wieder los.« »Schön. Ich mache Ihren und Sie meinen.« Danach waren sie fast Kumpel.
Major befürwortete die offensive Vorgehensweise. »Sie sollten nach Japan reisen und die zu einer Reaktion bewegen«, sagte er. Sie erörterten, wie man eine Resolution des Commonwealth herbeiführen könnte, damit der Iran die Sache nicht als eine Meinungsverschiedenheit zwischen Ost und West hinstellen konnte. Sie redeten über den
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