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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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Dick Wood, ließ ihn wissen, der iranische Geheimdienst ›setze noch immer alles daran‹, sein Ziel zu treffen. Rafsandschani habe dem Mord schon vor langem zugestimmt, und die Killer müssten sich nicht mehr mit ihm kurzschließen. Dies bleibe ihr oberstes Anliegen. Kurz darauf erklärte die Direktorin des MI 5, Stella Rimington, in der jährlich von der BBC ausgestrahlten Dibleby Lecture: »Die gezielten Versuche, den Autor Salman Rushdie ausfindig zu machen und zu töten, gehen allem Anschein nach weiter.«
    Wieder einmal fand das Special-Branch-Fest statt. Elizabeth versuchte John Major zu becircen, doch der blieb unbeeindruckt und ›ließ sie stehen‹, um es mit Sameen zu sagen. Sie war darüber erbittert und sagte: »Ich hab das Gefühl, dich im Stich gelassen zu haben«, was natürlich lächerlich war. Major versprach Frances D’Souza, er werde am 14. Februar eine Erklärung abgeben, und so hatte der Abend doch etwas gebracht. Innenminister Michael Howard zeigte sich ebenfalls freundlich. Irgendwann während des Festes machte das Schutzteam mit ihnen eine Besichtigungstour durch die Special-Branch-Abteilung. Sie warfen einen Blick in den ›Reserve room‹, in dem der diensthabende Beamte ihm das ›Buch der Spinner‹ zeigte und er den schmierigen Anruf eines Telefonspinners beantworten durfte. Sie sahen den Archivraum im neunzehnten Stock mit einem herrlichen Blick über London, die Geheimakten, die sich nicht öffnen ließen, und das Buch mit den aktuellen IRA -Codewörtern, die, wenn ein anonymer Anrufer sie benutzte, vor einem tatsächlichen Bombenanschlag warnten. Es war interessant, dass trotz Computerisierung noch immer so viel in kleinen Karteikästen aufbewahrt wurde.
    Nach der Party spendierte das Team ihm und Elizabeth noch einen Drink im Exchange, seiner Stammweinbar. Ihm wurde klar, wie nahe sie sich inzwischen standen. Am Ende des Abends warnten sie ihn, ›ein ziemlich übler Schurke‹ sei gerade in der Stadt, sie wollten ganz offen zu ihm sein, die nächsten Tage sei ›ganz besondere Vorsicht‹ geboten. Eine Woche später kam ihm zu Ohren, dass der ›Schurke‹ andere Schurken aus ihrem schurkischen Schlaf geweckt und sie instruiert habe, wie er zu töten sei. Das bedeutete, dass jetzt mehrere Schurken auf ihn angesetzt waren, um zu tun, was Schurken nun einmal taten.
    *
    Der fünfte Jahrestag der Fatwanäherte sich. Er rief Frances an, um sich mit ihr und Carmel zu versöhnen, doch war ihm der Appetit auf weitere Aktionen vergangen. In dem Jahr waren seine Freunde bemüht, ihm einen Teil der Last abzunehmen. Julian Barnes schrieb einen großartigen Beitrag für The New Yorker , eine geistreiche und fundierte Analyse der Geschehnisse von einem Menschen, den er kannte und mochte. Christopher Hitchens schrieb in The London Review of Books und John Diamond in der Boulevardpresse, um gegen deren Rufmordversuche in den Ring zu steigen. Der Bühnenautor Ronald Harwood traf sich mit UN -Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali. »Boo-Boo war sehr sympathisch«, erzählte Ronnie ihm. »Er frage, ob die Briten es mal durch die diplomatische Hintertür über Indien und Japan versucht hätten, denn auf die würden die Iraner hö ren.« Er wusste es nicht, vermutete aber, die Antwort lautete Nein. »Er meinte, wenn die Briten wollten, dass er es versuche, sollte Douglas Hurd einen formalen Antrag stellen.« Er fragte sich, warum das nicht passiert war.
    Unterdessen fiel die europäische Berichterstattung anlässlich des näher rückenden Jahrestages durchweg positiv aus. Außerhalb Großbritanniens galt er als liebenswert, lustig, unerschrocken, begabt und respektabel. Der große William Klein machte Fotos von ihm und erzählte Caroline Michel hinterher, wie sehr er das Shooting genossen habe: »Er ist so nett und lustig.« – »Könnte ich die ganze Welt unter vier Augen treffen«, sagte er zu Caroline, »könnte ich all diesem Hass und dieser Verachtung vielleicht ein Ende setzen. Das wäre doch eine Superlösung: Ein kleines intimes Abendessen für Khamenei, Rafsandschani und mich.« – »Ich werde mich sofort drum kümmern«, antwortete Caroline.
    *
    Das Internationale Schriftstellerparlament in Straßburg hatte ihn zum Vorsitzenden gewählt und ihn gebeten, eine Art Absichtserklärung zu verfassen. »Wir [Schriftsteller] sind Bergleute und Juweliere«, schrieb er, »Wahrheitsliebende und Lügner, Spaßmacher und Befehlshaber, Mischlinge und Bastarde, Eltern und Liebende, Architekten und

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