Joseph Anton
des Verfassers von Die satanischen Verse verglich, ›versteckt‹ zu leben (was bedeutete, entgegen polizeilicher Auflagen für seine Freiheit zu kämpfen und trotz allen Tadels am helllichten Tag in die Öffentlichkeit zu gehen).
Im Schattenreich der Phantomkiller ließ der iranische Außenminister Ali Akbar Velayati verlauten, die Fatwakönne nicht widerrufen werden. Tatsächlich sprach Velayati in Wien, und sofort teilte die Polizei dem Hauptziel der Fatwamit, sein geplanter Wienbesuch zur Entgegennahme des Preises, sei ›zu gefährlich‹. Zu viele Menschen wüssten bereits zu viel darüber. Dick Wood zufolge lautete der offizielle Standpunkt des Auswärtigen Amtes, es wäre unklug von ihm, zu fahren. Doch würden sie die Entscheidung ihm überlassen, obgleich sie ›wüssten‹, dass ›etwas im Busche sei‹. Er sagte, er wolle vor Schatten nicht davonlaufen, und Dick stimmte ihm zu. »So einen Anschlag zu planen braucht Zeit, und die hatten sie nicht.«
In Wien begrüßten ihn Rudolf Scholten und seine Frau Christine, eine Ärztin, wie alte Freunde. Der Chef des Sicherheitsdienstes sagte, im islamischen Kulturzentrum gebe es ›gewisse verdächtige Aktivitäten‹, weshalb seine Freiheit bedauerlicherweise eingeschränkt sei. Da sie nicht durch die Straßen laufen durften, wurde ihnen die Stadt vom Dach des Burgtheaters aus gezeigt, dessen Direktor Claus Peymann, ein stattlicher Bohemien, ihn einlud, bald wiederzukommen und ein Event zu veranstalten. Sie wurden durch den Wienerwald gefahren – lieblich, schwarz und tief wie in Robert Frosts berühmtem ›halluzinatorischen‹ Gedicht –, und da er das Auto nicht verlassen durfte, empfand er den Wald umso mehr als Halluzination. Nach dem Abendessen blieb Elizabeth bei den Scholtens, und er wurde mit dem Hubschrauber zum Hauptquartier der österreichischen Sicherheitspo lizei außerhalb Wiens gebracht, wo er die Nacht verbringen musste. Und Meilen gehn, bevor ich schlaf . Ein Mann, der das Wohnhaus der Scholtens beobachtet hatte, wurde nicht in die iranische, sondern in die irakische Botschaft zurückverfolgt. Womöglich gehörte er zur Modschahedin-e Chalgh, die ihr Hauptquartier im Irak hatte. (Den Feinden seines Feindes Khomeini bot Saddam Hussein gern einen sicheren Hafen.) Am nächsten Tag bildete die österreichische Polizei eine Phalanx um ihn und geleitete ihn in den Saal, in dem die feierliche Preisverleihung stattfinden sollte. Am Himmel dröhnten Polizeihubschrauber. Doch alles ging ohne Zwischenfälle über die Bühne. Er bekam seinen Preis und fuhr nach Hause.
In London hatte er eine spätabendliche Unterredung mit dem Chef der amerikanischen Antiterroreinheit, Robert Gelbard, der ›beunruhigende und konkrete‹ Informationen über anhaltende ›Bestrebungen‹ der Iraner gegen ihn hatte: »Ein Zeichen für ihren Frust«, meinte er, »doch da es sich um etwas Neues handelt, sollten Sie darüber im Bilde sein.« Schreib deinen verdammten Roman fertig, Salman, sagte er sich. Womöglich bleibt dir nicht mehr viel Zeit. The Observer brachte eine Geschichte über einen Streit zwischen Rafsandschani und Khamenei über den Fall Rushdie. Rafsandschani wollte die Stiftung des 15. Khordad, Kopfgeld-Saneis Machtbasis, abschaffen und den Einsatz von Todesschwadronen verbieten. Khamenei hatte beide Vorstöße verhindert und die Fatwabekräftigt. Alles blieb beim Alten.
Die Schriftstellervereinigung in Norwegen kündigte an, sie wolle ihn als Ehrengast zu ihrer Jahreskonferenz in Stavanger einladen. Das Oberhaupt der örtlichen Muslimorganisation ließ sofort verlauten, wenn Rushdie nach Stavanger komme, werde er getötet. »Wenn sich mir die Waffen und die Gelegenheit bieten, lasse ich ihn nicht davonkommen.«
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Er hatte bemerkt, dass kleinere Summen Geld aus seiner Schreibtischschublade fehlten, in der er die Portokasse aufbewahrte – und das in einem Haus mit vier bewaffneten Polizisten! –, und wusste nicht, was er davon halten sollte. Dann rief Clarissa an und sagte, Zafars Konto verzeichne viel zu viel Geld und große Ausgaben. Zafar hatte ihr erzählt, ein Junge aus der Schule (er wollte seinen Namen nicht nennen) habe »etwas von zu Hause verkauft, was er nicht nehmen durfte«, und habe ihn gebeten, das Geld auf seinem Konto zu parken. Das war ganz offensichtlich gelogen. Er hatte Clarissa auch gesagt, er sei »die Soll-und-Habenliste mit Dad durchgegangen«, doch dass stimmte nicht. Noch eine Lüge.
Sie verhängten größere Sanktionen. Das
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