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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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Abbrucharbeiter. Wir sind Bürger vieler Länder: des von Grenzen umschlossenen, endlichen Landes der wahrnehmbaren Realität und des Alltags, der vereinigten Staaten des Geistes, der himmlischen und höllischen Nationen der Sehnsucht und der freien Republik der Sprache. Zusammen umfassen sie ein größeres Gebiet als irgendein von einer weltlichen Macht regiertes, doch ihre Schutzwälle gegen diese Macht können sehr schwach sein. Deshalb wird der kreative Geist nur allzu oft als Feind behandelt von jenen großen oder kleinen Potentaten, die sich an der Fähigkeit der Kunst stören, Bilder von der Welt zu schaffen, die mit ihren eigenen simpleren und weniger aufrichtigen Sichtweisen im Widerstreit liegen oder sie untergraben. Das Beste dieser Literatur wird überleben, aber wir können nicht abwarten, bis die Zukunft es aus den Ketten der Zensur befreit.«
    Eine große Errungenschaft des Schriftstellerparlamentes war die Gründung des International Cities of Refuge Network ( ICORN ), das in den kommenden fünfzehn Jahren auf sechsunddreißig Städte anwachsen und von Ljubljana über Amsterdam, Barcelona und Las Vegas bis Mexiko-Stadt reichen sollte. Es gab viele Gründe, weshalb Länder verfolgten Schriftstellern kein Asyl boten – man fürchtete, dass, nähme man beispielsweise einen chinesischen Schriftsteller in Not auf, ein Handelsabkommen platzen könnte –, doch auf städtischer Ebene hatten Bürgermeister mit dieser Initiative keine Schwierigkeiten. Es kostete nicht viel, einem bedrohten Autor ein paar Jahre lang eine kleine Wohnung und ein Grundeinkommen zur Verfügung zu stellen. Er war stolz, an der Entwicklung dieser Idee beteiligt gewesen zu sein, und es gab keinen Zweifel, dass seine Unterschrift auf den Briefen des Parlaments einen Unterschied machte. Er war froh, dass sein Name, der eine so seltsame, dunkle Berühmtheit erlangt hatte, für andere, hilfsbedürftige Autoren eintreten konnte.
    Am 14. Februar erschien seine ›Erklärung‹ in The Independent. Er hatte befürchtet, dass diese Zeitung, die sich in islamischem Ap peasement besonders hervorgetan hatte, dem Beitrag irgendeinen negativen Dreh verpassen könnte, und er behielt recht. Am Valentinstag entdeckte er seinen Text auf Seite drei neben dem Bericht über den Jahrestag, derweil die gesamte Meinungsseite dem unsäglichen Stück von Yasmin Alibhai-Brown überlassen war, die über die vielen guten, positiven Effekte der Fatwaschrieb, dank deren die britischen Muslime zu einer Identität und einer öffentlichen Stimme gefunden hätten. »Wäre dieser schicksalhafte 14. Februar 1989 nicht gewesen«, schrieb sie, »würde die Welt auf das unveräußerliche Recht zutreiben, Jeans zu tragen und McDonald’s-Hamburger zu essen.« Wie gut, dass Khomeini eine neue Debatte über islamische und westliche Werte angestoßen hatte, dachte er, das war es wert, ein paar Schriftsteller zu Hamburgern zu verwursten.
    *
    »Frohen Jahrestag!« Es war zu einem makabren Dauerwitz geworden, dass seine Freunde ihn anriefen, um zu seinem großen Tag zu gratulieren. Elizabeth bastelte ihm eine Valentinskarte, auf der ihr Gesicht sich mit dem Frida Kahlos überlagerte. Hanif Kureishi war auf dem Weg nach Pakistan und erbot sich, einen Brief für die Mutter des Jubilars in Karatschi mitzunehmen. Caroline Lang rief aus Paris an und teilte ihm mit, der unerbittliche Innenminister Charles Pasqua habe sich dazu erweichen lassen, dass Mr Rushdie in Frankreich übernachten dürfe, und das nicht nur in Privatunterkünften, sondern auch in Hotels. (Später wurde Pasqua illegaler Waffengeschäfte mit Angola überführt und bekam ein Jahr auf Bewährung. Der belgische Außenminister Willy Claes wurde wegen Korruption verurteilt.)
    Die Kampagne der vergangenen zwei Jahre trug Früchte: Führende Politiker der Welt gaben Erklärungen ab. Diesmal wurde John Major sehr deutlich: Wir alle wollen der iranischen Regierung unmissverständlich zu verstehen geben, dass gute und funktionierende Beziehungen mit dem Rest der internationalen Gemeinschaft erst möglich sind, wenn … , und der Oppositionsführer John Smith sagte: Ich verurteile zutiefst … es ist nicht hinnehmbar, dass … Ich fordere die iranische Regierung auf … Und der norwegische Kultusminister Ase Kleveland sagte: Wir werden unsere Bemühungen verstärken, und wir verlangen, dass die Fatwa widerrufen wird , und Dick Spring in Irland sagte, inakzeptabel und extreme Verletzung , und der kanadische Außenminister

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