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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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Rückeroberungen abgesehen, und auch früher schon, denn schließlich war er ein Kind der Megalopolis Bombay, die auf dem Meer abgetrotzten Land gebaut worden war. Jetzt würde er abermals verlorenen Boden gutmachen. Sein fertiger Roman würde veröffentlicht werden und ihm seinen Platz in der Welt der Bücher zurückerobern. Und er würde einen amerikanischen Sommer planen und mit den Polizeiobersten um ein wenig mehr Freiheit feilschen und natürlich auch weiterhin über politischen Druck und die Verteidigungskampagne nachdenken; aber er konnte nicht auf eine politische Lösung warten, er musste anfangen, die kleinen Schnipsel Freiheit zu erhaschen, die in greifbarer Nähe waren, und mit immer leichter werdenden Schritten dem Happyend entgegengehen, das er sich selbst zu schreiben entschlossen war.
    Andrew war fast zu Tränen gerührt, als er am Telefon über den Mauren sprach. Gillon hatte sich mehr im Griff, war aber dennoch bewegt. Er freute sich über ihre Begeisterung, auch wenn er bereits ahnte, dass der Schluss noch einmal überarbeitet werden musste und die Figur des letztlich schurkischen Vasco Miranda noch nicht ganz rund war. Elizabeth las es, freute sich über die Widmung, Für E. J. W. , und hatte viel Lob und ein paar scharfsinnige redaktionelle Anmerkungen. Sie glaubte, die Japanerin mit dem nur aus Vokalen bestehenden Namen Aoi Uë im letzten Teil des Buches habe etwas von ihr, und als Moor Zogoiby sie mit seiner vorherigen, gestörten Geliebten Uma vergleicht – er nannte Aoi »eine bessere Frau, die er weniger liebte« –, seien damit sie selbst und Marianne gemeint. Er musste eine Stunde lang auf sie einreden, um sie zu überzeugen, dass das nicht stimmte, und wenn sie sich in dem Buch wiederfinden wollte, sollte sie sich den von Zärtlichkeit und Liebe getragenen Stil ansehen, denn das habe er von ihr gelernt, das sei ihr wahrer Einfluss auf das Buch.
    Er sagte die Wahrheit. Dennoch hatte er das Gefühl, das Buch damit abgewertet zu haben, denn wieder einmal war er gezwungen worden, seine Arbeit und dessen Beweggründe zu erklären. Die Freude über dessen Fertigstellung war getrübt, und er begann zu fürchten, es könnte nur als eine verschlüsselte Version seines Lebens gelesen werden.
    Abends traf er sich mit Graham Swift und Caryl Phillips in Julie’s Restaurant in Notting Hill, und Dick Wood, der das Schutzteam ausnahmsweise begleitet hatte und nicht gern lange aufblieb, schickte ihm um Mitternacht eine Nachricht, er müsse jetzt gehen, die Fahrer seien müde. Bei Billy Connollys Geburtstagsparty war das schon einmal passiert, und diesmal kam es zu einer wütenden Auseinander setzung, in der sich der Malachite-Klient entrüstete, kein anderer ›Kunde‹ würde eine derart bevormundende Nachricht erhalten, erwachsene Menschen säßen zuweilen nun einmal bis nach der Geisterstunde beim Abendessen. Dick änderte seinen Ton und sagte, der eigentli che Grund für die Nachricht sei ein verdächtiges, heimlichtuerisches Telefongespräch eines Kellners gewesen. Caz Phillips ging der Sache nach – das Restaurant war eines seiner Stammlokale – und berichtete, der Kellner habe seine Freundin angerufen, doch hatte sowieso niemand aus dem Schutzteam die Story geglaubt, nicht einmal Dicks Handlanger Rab. »Weiß doch jeder, dass das nichts mit dem Telefonat zu tun hat«, sagte Rab lachend. »Dick war müde, das ist alles.« Rab trug ihm eine ›Sammelentschuldigung im Namen des ganzen Teams‹ an und versprach, so etwas würde nicht wieder vorkommen. Dennoch schwante ihm, dass seine Hoffnungen auf ein zunehmend ›normales‹ soziales Leben soeben zunichte gemacht worden waren. Schließlich war es Dick gewesen, der behauptet hatte, die Polizei sei zu streng mit ihm umgesprungen und habe seine Bewegungsfreiheit unnötig eingeschränkt.
    Helen Hammington kam zu ihm und versuchte die Sache wieder einzurenken, und tags darauf kam auch Dick und begrüßte ihn mit den Worten: »Ich erwarte keine Entschuldigung«, was die Sache kein bisschen besser machte. Immerhin war man sich darin einig, dass größere ›Flexibilität‹ nötig sei. Dick machte den ausgeschiedenen Tony Dunblane für die alten Zwänge verantwortlich. »Jetzt, wo er nicht mehr da ist, werden die für Sie zuständigen Leute viel umgänglicher sein.« Doch Mr Anton hatte Dunblane gemocht und ihn stets als sehr entgegenkommend empfunden.
    Er bekam zwei Hassbriefe, ein Foto von Ottern mit einer Sprechblase darauf, in der stand YOU

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