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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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Clarissa ihn plötzlich an, um zu sagen, sie sei zu dem Schluss gekommen und darin auch bestärkt worden, dass sie mehr Geld brauche. (Da er bei ihrer Scheidung nicht über die Mittel für eine klare Unterhaltsregelung verfügte, hatte er ihr über zehn Jahre eine Mischung aus Alimenten und Kindergeld gezahlt.) Sie meinte, ihre Anwälte hätten ihr gesagt, ihr stünden riesige Summen zu – womit sie zum ersten Mal zugab, dass Anwälte im Spiel waren –, doch mit 150 000 Pfund würde sie sich zufriedengeben. »Na schön«, sagte er. »Du hast gewonnen. 150 000 Pfund. Okay.« Ein Haufen Geld, doch das war nicht der Punkt. Wie die Liebe kam auch die Feindschaft ganz unerwartet. Nach all den Jahren und nachdem er an ihrer Krankheit so viel Anteil genommen hatte und sich bei A. P. Watt und dem Arts Council heimlich für sie ins Zeug gelegt hatte (der Fairness halber musste gesagt werden, dass sie davon nichts wusste), hatte er nicht damit gerechnet, dass sie ihm mit so etwas kommen würde. Die plötzliche Spannung zwischen den Eltern ließ sich vor Zafar nicht verbergen. Der Junge war alarmiert und bestand darauf, zu wissen, was los war. Er war fast sechzehn, und ihm entging nichts, was seine Eltern taten. Es war unmöglich, ihm nicht die Wahrheit zu sagen.
    *
    Der iranische Vizeaußenminister Mahmud Va’ezi widersprach sich selbst: Nachdem er in Dänemark verkündet hatte, der Iran würde keine Mörder zur Vollstreckung des Todesurteils entsenden, unter strich er am nächsten Tag in Paris die ›Notwendigkeit der Ausführung dieses Befehls‹. Die 1992 lancierte Politik des ›kritischen Dialogs‹ zwischen der EU und dem Iran mit dem Ziel, die iranische Bilanz in puncto Menschenrechte, Unterstützung des Terrorismus und Fatwazu verbessern, erwies sich als vollkommen gescheitert. Sie war zu nachgiebig und den Iranern sowieso völlig gleichgültig, also gab es keinen Dialog.
    Nach Va’ezis Äußerungen in Paris kam von der britischen Regierung: nichts. Andere Länder protestierten, doch Großbritannien tat keinen Mucks. Nachdem er sich ein paar Tage lang über Va’ezis gespaltene Zunge geärgert hatte, kam ihm eine Idee. Er sagte Frances D’Souza, wenn sie Va’ezis dänische Aussage als eine Art ›Waffenstillstandserklärung‹ nähmen, ließen sich die Franzosen vielleicht dazu bewegen, den Iran zu einem Widerruf der in Paris gemachten Äu ßerungen ihres Ministers und zu der öffentlichen Zusage drängen, dass die Fatwanicht umgesetzt werde, was natürlich von der EU über einen vereinbarten Zeitraum hinweg überwacht werden müsse, ehe man volle diplomatische Beziehungen aufnehmen könne. Die Idee einer ›französischen Initiative‹ gefiel Frances. Das letzte Treffen mit Douglas Hogg, der ihr mitgeteilt hatte, man könne nichts anderes tun, als mit dem Personenschutz fortzufahren, hatte ihr schlechte Laune gemacht. Khamenei sei am Ruder, und damit gehe der iranische Terrorismus weiter. Hogg meinte, vor achtzehn Monaten hätten die Iraner ihn wissen lassen, sie würden die Fatwanicht in Großbritannien aus führen, doch habe er es nicht für nötig befunden, das weiterzulei ten, denn schließlich hieße das ›gar nichts‹. Die Politik der Regierung Ihrer Majestät bestand also wie immer in Untätigkeit. Frances war einverstanden, die französischen Verbündeten mit ins Boot zu holen. Sie setzte sich mit Jack Lang und Bernard-Henri Lévy in Verbindung und fing an, Pläne zu schmieden. Er selbst rief Jacques Derrida an, der wollte, dass er sich mit französischen Abgeordneten fotografieren ließ, und ihn warnte: »Jedes Ihrer Treffen wird als politisches Signal gewertet, Sie sollten sich vor bestimmten Leuten in Acht nehmen«. Zweifellos spielte Derrida auf den in Frankreich umstrittenen BHL an. Doch Bernard hatte ihm eisern zur Seite gestanden, einen so treuen Freund würde er nicht zurückweisen.
    Am 19. März 1995 nahm er den Eurostar nach Paris, wo die RAID sich ihn sofort einverleibte und zu einem Treffen mit einer Gruppe mutiger französischer Muslime brachte, die eine Solidaritätserklärung für ihn unterzeichnet hatten. Am nächsten Tag traf er sämtliche führenden französischen Politiker sauf Mitterrand : Den Präsidenten in spe Jacques Chirac, groß, schlaksig, selbstgewiss, mit toten Killeraugen; den Premier Édouard Balladur, ein Mann mit einem spitzen Mündchen, über dessen steifes Auftreten die Franzosen sagten, il a avalé son parapluie , er hat seinen Regenschirm verschluckt; den

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