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Joseph Anton

Joseph Anton

Titel: Joseph Anton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Rushdie
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Alle waren auf hundertachtzig, denn es hatte einen äußerst unschönen Streit mit ihrem Vorgesetzten gegeben, der solche Aufmüpfigkeit nicht gewohnt war. Obwohl sie leitende Beamte waren, habe Howley sie ›angebrüllt‹. Die Entscheidung des Commanders sei ›unumstößlich‹, meinte Helen mit finsterer Miene. Das Treffen war beendet.
    Jetzt war es so weit: Er fuhr aus der Haut und brüllte los. Er wusste, dass man niemanden in diesem Raum für das, was passierte, verantwortlich machen konnte, sie hatten für ihn sogar ihre Karriere aufs Spiel gesetzt; doch wenn er nicht an ihnen vorbeikam, hatte er verloren, und er hatte beschlossen, nicht zu verlieren. Dies war seine einzige Chance, also ging er kaltblütig in die Luft. Wenn Helen die Entscheidung nicht ändern könne, schrie er, dann sollte sie ihn gefälligst zu jemandem vorlassen, der dazu in der Lage sei, schließlich hätten Random House und er sich strikt an das gehalten, was die Polizei bereits vor Monaten gutgeheißen hatte, und diese Willkür in letzter Minute sei nicht in Ordnung, sei verdammt noch mal überhaupt nicht in Ordnung, und wenn er nicht sofort vorgelassen werde, werde er so massiv damit an die Öffentlichkeit gehen, dass ihnen Hören und Sehen vergehe, also sieh zu, Helen, oder sonst …! Fünf Minuten später saßen er und Commander John Howley allein in einem Büro.
    So hitzig er mit Helen gewesen war, so eisig war er jetzt. Commander Howley musterte ihn frostig, doch er überbot ihn. Der Polizist redete als Erster. »Da Sie jetzt wieder im Fokus der Öffentlichkeit stehen«, hob Howley an und meinte die Demarche, »haben wir Grund zu der Annahme, dass die Medien aus der Sache mit der Lesung eine Top-Nachricht machen.« Brüllende Muslimhorden vor der Buch handlung wären die Folge. »Das kann nicht zugelassen werden.« – »Diese Entscheidung ist inakzeptabel«, antwortete er in ruhigem Ton fall. »Ich nehme Ihnen das Argument mit der öffentlichen Ordnung nicht ab. Zudem ist es diskriminierend. In der heutigen Times steht neben dem Artikel über ein mögliches Tauwetter im Iran eine An zeige für eine Veranstaltung zum Thatcher-Buch, die Sie schützen. Außerdem hat Mr Veness gestern grünes Licht gegeben, jeder bei Waterstone’s und bei Random House ist im Bilde, es wird also an die Öffentlichkeit dringen, auch wenn ich nichts unternehme. Aber seien Sie gewiss, ich habe nicht die Absicht, nichts zu unternehmen. Wenn Sie Ihre Entscheidung nicht zurücknehmen, werde ich eine Pressekonferenz einberufen und sämtlichen großen Tageszeitungen, Radio- und Fernsehsendern Interviews geben und Sie bloßstellen. Bisher habe ich nie etwas anderes getan, als der Polizei zu danken, doch das kann und werde ich ändern.«
    »Wenn Sie das tun«, sagte Howley, »werden Sie ganz schlecht dastehen.«
    »Schon möglich«, entgegnete er. »Aber stellen Sie sich vor, Sie auch. Also, entweder Sie lassen die Veranstaltung laufen, und keiner von uns verliert das Gesicht, oder Sie verbieten sie, und wir verlieren es beide. Sie haben die Wahl.«
    »Ich werde darüber nachdenken«, beschied Howley farblos und knapp. »Ich gebe Ihnen bis heute Abend Bescheid.«
    *
    Um ein Uhr mittags rief Andy Ashcroft an. Die G7 hätten sich der Kampagne angeschlossen und würden einstimmig ein Ende der Fatwafordern. Die Europäische Union dränge Rafsandschani, zu unterschreiben und sämtlichen Bedingungen der französischen Demarche zuzustimmen. »Ein Fatwa-freies Europa reicht nicht«, sagte er zu Ashcroft. »Und nach der Bekanntgabe sollten die Iraner sämtliche Muslime der westlichen Welt eindringlich ermahnen, sich an die jeweiligen Gesetze zu halten.« Ashcroft meinte, er sei »ziemlich optimistisch«. – »Ich habe mich mit dem Special Branch in die Haare gekriegt«, erzählte er dem Berater des Auswärtigen Amtes. »Es wäre toll, wenn Sie sich ein wenig einschalten könnten, denn ein öffentlicher Krach käme jetzt gar nicht gut.« Ashcroft lachte. »Ich werde sehen, was ich tun kann.«
    Zweieinhalb Stunden später rief Dick Wood an und sagte, Howley habe nachgegeben. Bis zur Lesung waren es noch zwei Tage. Erst am Morgen der Veranstaltung dürfe dafür geworben werden. Das war der angebotene Kompromiss.
    Er akzeptierte.
    Bis zum Mittag waren sämtliche Plätze bei Waterstone’s ausverkauft. »Stellen Sie sich vor, wir hätten wie geplant schon am Montag geworben«, meinte der Einsatzleiter von Hampstead, Paul Bagley. »Wir hätten tausende Karten verkauft.« Die

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